Den Sieger berechnen

Wir müssen jetzt hier auch mal über das leidige Thema Fußball-WM in Deutschland sprechen. Nicht, dass einen dieses ganze Marketing drumherum gehörig auf die Nerven geht (Nudel in Fußballform, Anti-Pickel-Tunke mit Minifußball als ‘Fanpaket’, Ticket-Gewinnspiele allerorten), nein, nein. Auch nicht diese sich nahezu täglich hochschaukelnden Horrormeldungen über Pannen beim Ticketverkauf… auch das nicht.

Es soll hier mal um die Spiele an sich, das Turnier gehen – also das, weshalb die Welt zu uns Freunden kommt. Da will vielleicht auch jemand mitfiebern. Oder Statistiken führen. Oder überhaupt alles genau im Blick haben. Das geht natürlich mit Hilfe eines Unparteiischen, mit Hilfe von Kollege Computer. Eine Exceltabelle, die aus den Spielergebnissen selbständig Tabellenstände und Statistiken ausrechnet und automatisch die Begegnungen der nächsten Runden zusammenstellt, die gibt es natürlcih im Internet. Hier zum Beispiel. Echt praktisch.

Georgias Hymne

Vergangenes Jahr lief der Film im Kino, jetzt steht er auch schon ein paar Monate im DVD-Regal: “Ray”, die überaus gelungene Biografie des blinden Soulmusikers Ray Charles – in dem Streifen geht es vor allem um seine ersten 40 Lebensjahre. Auf der Suche nach einem eigenen musikalischen Stil verknüpfte Charles Gospel-Texte und Jazz-Musik und legte damit den Grundstein für die Entwicklung des Soul. Der Film macht deutlich, was für ein Ausnahmetalent Ray Charles als Musiker war, wie talentiert und begnadet, gleichzeitig aber auch benachteiligt durch die Rassentrennung und vor allem: wie er durch teilweise exzessiven Drogenkonsum seinen Erfolg, seine Familie und sein Leben mehr als einmal fast ruiniert hätte.

Zweifellos ist Ray Charles mit kanckigen Soulnummern weltbekannt geworden, allerdings ist eine seiner bekanntesten Nummern das genaue Gegenteil. Die Ballade “Georgia on my mind”, eingespielt mit großem Chor und noch größerem Orchester mit dem blinden Charles am Klavier ist so traumhaft schön und traurig, so sehnsuchtsvoll und gleichzeitig liebevoll, dass es genau zu einem verregneten Sonntag passt. Nicht nur dazu: Der Song läuft schon seit einer Woche in der Heavy-Rotation in meinem Schädel. Deshalb heute:

Ray Charles – Georgia On My Mind

Wer allerdings meint, Herr Charles habe diesen Song selbst verfasst, irrt. Tatsächlich stammt der Song aus der Feder von Hoagy Carmichael der das Lied bereit im Dezember 1930 kompnierte. Ray Charles gelang dann knapp 40 Jahre später das geniale Arrangement, das den Song weltbekannt machte und sogar dafür sorgte, dass “Georgia on My Mind” 1979 zur offiziellen Hymne des US-Bundeststaates Georgia bestimmt wurde – obwohl in der ursprünglichen Version schlicht ein Mädchen gemeint war, das nachhaltig in Erinnerung geblieben war.
CD-Kritik Film-Soundtrack

Ray Charles bei Wikipedia.

Ray Charles’ digitale Überreste im World-Wide-Web

Die Blitz-Merker

Savants, die Wissenden, nennt die Wissenschaft Menschen, deren Gehirn besondere Leistungen aufweist. Davon handelt eine dreiteilige Dokumentation, deren zweiter Teil gerade auf Phoenix läuft. Etwa 100 Savants gibt es weltweit, viele von ihnen sind Autisten, die äußerst bemerkenswerte Fähigkeiten aufweisen: Binnen Sekunden im Kopf ausrechnen, wie das Ergebnis von 67 hoch 33 lautet (irgendetwas mit Dezilliarden…), sämtliche Ergebnisse des Weltfußballs samt aller Torschützen kennen, vom Hubschrauber aus Rom begutachten und dann aus dem Kopf ein originalgetreues Panoramabild der Stadt zeichnen (mit übereinstimmenden Straßenverläufen, der korrekten Zahl der Fenster an jedem der tausenden Gebäude und der äußerst präzisen Wiedergabe des Colosseums bis in den kleinsten Bogen), die Wochentage zu jedem Datum der vergangenen 24.000 Jahre benennen – oder mit sechs Jahren über Nacht Klavier spielen lernen und danach Jazz-Musik komponieren und die Kreiszahl Pi bis auf 5000 Stellen nach dem Komma nennen können.

Einer dieser Savants war Vorbild für die Filmfigur Rainman. Der Original-Rainman hat bereits 12.000 Bücher gelesen – und kennt ihren Inhalt auf die Seite genau, kann die Informationen binnen Sekunden aufnehmen (8 Seiten in 53 Sekunden), sich das alles merken und die gespeicherten Informationen auch binnen Sekunden verknüpfen und jede Frage beantworten. Besonders bemerkenswert: Kim, der “Kimputer”, wie er anerkennend genannt wird, kann zwei Bücher gleichzeitig lesen – mit jedem Auge eines.

Noch stehen Mediziner vor vielen Rätseln, was den Savants ihre besonderen Fähigkeiten verleiht. Sie haben aber beobachtet, dass die einzelnen Teile des Gehirns nicht so stark vernetzt sind wie bei allen anderen Menschen. Die Wissenschaftler vermuten, dass das Gehrin von Savants nicht die Fähigkeit besitzt, wesentliche und unwesentliche Informationen, die über die Sinne aufgenommen werden zu trennen und stattdessen alles speichern: Das Bewusstsein erhält 100 aller Daten, jeden Tag, jede Sekunde. Ein Speicherproblem gibt es trotzdem nicht: Jedes Gehirn bietet unerschöpflichen Speicherplatz.

Für ihre bemerkenswerten Fähigkeiten zahlen viele Savants einen hohen Preis: Neben ihren besonderen Begabungen haben sie gleichzeitig äußerst eingeschränkte Fähigkeiten, die für alle anderen Menschen selbstverständlich sind: Viele autistische Savants können sich nicht allein anziehen, Essen zubereiten oder sich in Großstädten selbstständig aufhalten (weil einfach zu viele EIndrücke auf sie einprasseln), manche können kaum sprechen. Trotz dieser mangelnden sozialen Kompetenzen sind diese Savants freundliche, sympathische, geduldige Menschen, die ihre besonderen Fähigkeiten genießen.

Einige führen auch ein vollkommen selbstständiges Leben. Zum Beispiel der Deutsche Rüdiger Gamm, der Mann mit den Potenz-Rechnungen und den 5000 Pi-Stellen: Er arbeitet als Berater unter anderem für Fußball-Mannschaften.

Die Dokumentation ist beeindruckend, abwechslungsreich und spannend. Teil 3 gibt es morgen, Mittwoch, 20.15 Uhr auf Phönix. Infos zu Teil 1, 2 und 3 gibt es auf der Internetseite natürlcih auch.

Bär mit Migrationshintergrund

Nach Rütli jetzt also Teddy: Nachdem die Debatte um Fehler in der bundesdeutschen Integrationspolitik gerade wieder auf ein sachliches Maß zurückzugehen scheint, sorgt der Zuzug eines namenlosen Braunbären über die grüne Grenze nach Deutschland für neue Diskussionen – wenn auch auf einem ganz anderen Niveau. Meister Petz kam aus Italien über Österreich in die Bundesrepublik, wo er in den vergangenen Tagen vor allem durch marodierendes Verwüsten von Stallungen, durch die Dezimierung von Zuchtschaf-Beständen und die Plünderung eines Bienenstocks aufgefallen ist. Kurz: Er hat das getant, was Bären nun mal tun.

Zwar haben Einwohner der Europäischen Union das Recht auf freie Wahl des Wohnortes, doch für Vierbeiner, die nach Ansicht von Experten untypische Verhaltensweise an den Tag legen, gilt das nicht – obwohl der Braunbär ganz offensichtlich der erste seiner Art ist, der nach 170 Jahren nach Deutschland gekommen ist. Aber das Tier scheint wenig Scheu vor Menschen zu haben, das mache ihn gefährlich, warnen Experten. So hat nun also mit schriftlicher Genehmigung des bayerischen Umweltministers die Suche und Jagd nach dem Tier begonnen, das sich bislang meisterlich vor seinen Häschern im Dickicht verborgen hält.

Inzwischen debattiert das Land also darüber, wie mit dem Raubtier, das politisch korrekt wohl als Raubtier mit Migrationshintergrund bezeichnet werden müsste, umzugehen sei. Die Meinungen reichen von “so schnell wie möglich abschießen” bis “betäuben und in ein Gehege bringen”. Beide Varianten sind schwierig und auf ihre Art gefährlich. Was also tun? Abschießen oder einfangen? Vielleicht hat der Bär schon geahnt, dass Bayern für ihn eine No-Go-Area ist und sich in über die Grenze in Sicherheit gebracht – von wegen: die Welt zu Gast bei Freunden. Herr Heye hatte mit seiner erschütternden Warnung wohl doch Recht…

Grand Prix unberechenbar

Das Ergebnis des 51. Eurovision Song Contest beweist vor allem eines: Der Grand Prix ist unberechenbar. “Hard Rock Hallelujah” der finnischen Monsterrocker von Lordi ist zweifellos ein knackiger Song. Ich hatte ja erwartet, dass die ukrainische Shakira gewinnt. Zwar hat auch diesmal die Balkan-Connection sich gegenseitig die Punkte zugeschanzt, aber dass ein für den ESC derart ungewöhnlicher Song haushoch gewinnt und aus allen Regionen der Teilnehmerländer Punkte bekommt, ist fast schon eine Sensation. Dabei haben die Finnen nur konsequent auf die Spitze getrieben, was andere mit ähnlich schrillen Darbietungen, aber eben nur ein bisschen ausgeflippt, versucht haben. Hier sei nur an die trommelnde Oma aus Moldau vom vergangenen Jahr erinnert oder auch an Guildo Horn 1998. Ich sage nun vorraus, und die geneigten Leser dürfen mich gerne daran messen, dass wir im kommenden Jahr eine wahre Inflation an Grusel-Shock-Extrem-Eklig-Laut-Musikern auf der Bühne erleben werden, die das Lordi-Konzept für sich übernehmen – und ich sage weiterhin vorraus, dass dann eine Ballade gewinnen wird.

Und auch diese Prognose tue ich gerne kund: Egal, welches Land im kommenden Jahr gewinnen wird, die Musiker werden nicht aus Deutschland stammen. Wir haben es jetzt mit guten gecasteten Talenten (Max Mutzke), mit schlechten Gecasteten (Gracia), mit erfahrenen Profis (Texas Lightning), mit Spaßvögeln (Stefan Raab) und mit körperlich Benachteiligten versucht (Corinna May) – 12 Punkte bekommt Deutschland nur ganz selten. Manchmal ist das ja schon das Endergebnis…

Texas Blitz

Musik des Tages ist heute – ganz klar – von unserer Band für den 51. Eurovision Song Contest: Texas Lightning.

Texas Lightning

Um 21 Uhr heute Abend beginnt das Finale, das diesmal in Griechenland stattfindet. In der Olympiahalle in Athen gehen Texas Lightning mit “No No Never” an achter Stelle auf die Bühne. Die Liveübertragung beginnt um 21 Uhr im Ersten. In diesem Jahr stimmen die Fernsehzuschauer in 38 Ländern über den Sieger beim Eurovision Song Contest ab.

Auf der Internetseite der Band gibt es den Song und andere Lieder in der Musicbox zum Anhören.

Kerner-Job

An die Worte von Hanns Joachim Friedrichs , das Gesicht der Tagesthemen mit der sonoren Stimme, denke ich recht oft: “Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.” Klar, wie soll man noch distanziert und unvoreingenommen über einen Autokonzern berichten können, wenn man dort ganz “besondere Konditionen” beim Kauf genossen hat. Wie kann man über Unregelmäßigkeiten bei der Lohnzahlung des besten Restaurant am Orte schreiben, wenn man dort regelmäßig ein Menü zum Preis einer Vorspeise futtern kann? Diese Themen muss man ausklammern, so regelt es das übliche redaktionelle Selbstverständnis in Deutschland. In unserer Redaktion zum Beispiel ein Reporter nicht über Vorwürfe gegen eine Firma berichten, weil deren Besitzer den Verein des Kollegen finanziell unterstützt. Klare Sache.

Für Johannes B. Kerner und Reinhold Beckmann gelten andere Regeln. Die beiden Gastgeber von Gesprächssendungen machen Werbung für private Altersvorsorge oder den Börsengang von Fluggesellschaften und laden Firmenvertreter auch noch in ihre Sendungen ein um über das Thema zu reden, für das sie selbst Werbung machen. Eine fragwürdige Praxis, die einigen Artikeln des Pressekodex’ des Deutschen Presserats widerspricht, auch wenn der Kodex die Frage nach werblichen Tätigkeiten von Journalisten nicht explizit stellt. In Artikel 15 heißt es:

Die Annahme und Gewährung von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die
Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion zu beeinträchtigen, sind mit dem
Ansehen, der Unabhängigkeit und der Aufgabe der Presse unvereinbar. Wer sich für
die Verbreitung oder Unterdrückung von Nachrichten bestechen lässt, handelt
unehrenhaft und berufswidrig.

Dazu heißt es erläuternd:

Richtlinie 15.1 – Einladungen und Geschenke
Die Gefahr einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit von Verlagen und Redaktionen
sowie der unabhängigen Urteilsbildung der Journalisten besteht, wenn Redakteure und
redaktionelle Mitarbeiter Einladungen oder Geschenke annehmen, deren Wert das im
gesellschaftlichen Verkehr übliche und im Rahmen der beruflichen Tätigkeit notwendige Maß
übersteigt. Schon der Anschein, die Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion könne
durch Gewährung von Einladungen oder Geschenken beeinträchtigt werden, ist zu
vermeiden.
Geschenke sind wirtschaftliche und ideelle Vergünstigungen jeder Art. Die Annahme von
Werbeartikeln zum täglichen Gebrauch oder sonstiger geringwertiger Gegenstände zu
traditionellen Gelegenheiten ist unbedenklich.
Recherche und Berichterstattung dürfen durch die Vergabe oder Annahme von Geschenken,
Rabatten oder Einladungen nicht beeinflusst, behindert oder gar verhindert werden. Verlage
und Journalisten sollten darauf bestehen, dass Informationen unabhängig von der Annahme
eines Geschenks oder einer Einladung gegeben werden.

Niemand wirft den beiden TV-Männern vor, sich bestechen zu lassen. Die entscheidende Passage in diesem Zusammenhang ist aber wohl die Sorge um die Entscheidungsfreiheit der Redaktion, die durch die enege geschäftliche Bindung vom Gastgeber an seine Interviewpartner zumindest gefährdet sein dürfte. Allerdings sei hier angemerkt, dass der Presserat sich mit seinem Kodex vor allem an gedruckte Medien richtet, aber was für Zeitungen gilt, kann fürs Fernsehen ja nicht schlecht sein.

Ähnliche Ansprüche wie der Pressekodex von 1973 formuliert auch der Medienkodex des Netzwerks Recherche. In zehn Punkten stellt er Leitlinien für die journalistische Arbeit in etablierten und neuen Medienformen auf. Für Herrn Kerner und Herrn Beckmann besonders wichtig dürften Punkt 1:

Journalisten berichten unabhängig, sorgfältig, umfassend und wahrhaftig.
Sie achten die Menschenwürde und Persönlichkeitsrechte.

und Punkt 5:

Journalisten machen keine PR.

sein.

Der Deutschlandfunk hat dieses Thema vor einigen Tagen kommentiert. Den Beitrag kann man sich auf dessen Internetseite anhören und lesen.

ESC-Wetten: Griechenland liegt vorn

Der Eurovision-Song-Contest bietet auch die Chance, Geld zu verdienen. Bei Europas Buchmachern liegt der griechische Beitrag derzeit vorn: die Quote liegt bei 3,5. Damit setzt Sängerin Anna Vissi eine ungewöhnliche Tradition fort. Die griechischen Beiträge waren auch in den beiden Jahren zuvor in den Wettbüros als Favoriten gehandelt worden.