Till und Armin und Venice

Das Konzert gestern Abend: Till Brönner und seine Till Brönner Group spielten lässigen, rauchigen, groovigen Jazz – und Armin Müller-Stahl las launige, humorvolle, teilweise auch recht verrückte Balladen, Anekdoten und Episoden aus seinem Buch über Venice Beach in Los Angeles. Das Konzert in der Halle 207 der ehemaligen Rostocker Neptunwerft war eine einzige gelungene Improvisation. Nach zwei Stunden wollten die Fans dann Autogramme.

stahl_broenner.jpg

“Für Paul, für Susann, für Emilie”. Armin Müller-Stahl und Till Brönner schrieben auf Wunsch auch ganz genau auf, für wen ihre Unterschrift in Büchern und auf CDs bestimmt waren.

Musiker und Schauspieler hatten vor dem Konzert kurzum auf eine gemeinsame Probe verzichtet und beschlossen zu improvisieren. “Wir machen das einfach so”, soll Armin Müller-Stahl (75), bereits für den Oscar nominierter Schauspieler, gesagt haben, als er die Musiker von Till Brönner (35) zum ersten Mal auf der Bühne gehört hatte. Brönner gilt als der derzeit beste deutsche Jazz-Trompeter.

Über 1000 Zuhörer bekamen dann Songs vom aktuellen Album Oceana zu hören. Nicht nur die gelassenen Jazzklänge, die mal knackigen, mal sanft-rauchigen Trompetensoli, die Einlagen von Piano, Drums, Percussion, Bass und Gitarre waren mal wild und ungezügelt, mal betont zurückhaltend, auf jeden Fall aber angemessen. Sie passten damit wunderbar zu den kurzen literarischen Einlagen von Armin Müller-Stahl, der sich in seinen Texten zwar schnell aus Los Angeles entfernte und immer persönlicher angehauchte Passagen vortrug, aber mit seiner typisch fesselnd-mitreißenden Vortragsweise das Publikum in eine begeisterte Spannung versetzte. Dazu improvisierte die Band zuweilen ganz dezent im Hintergrund. Das alles vermittelte einen hauch von L.A., von stickiger Hitze, Trubel in den Straßen, Gewusel am Strand und kleinen, ruhigen, unentdeckten Ecken voll Beschaulichkeit und Entspannung. Die Atmosphäre der stillgelegten Werfthalle mit ihren weißen Wänden, den teilweise eingeworfenen kleinen Fenstern und der Holz-Stahl-Dach-Konstruktion tat ihr Übriges.

Gelungene Premiere der beiden Hauptdarsteller, die zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne standen. Die Festspiele MV haben Armin Müller-Stahl in diesem Jahr einen Schwerpunkt gewidmet, in Güstrow stellt er seine Malerei aus und hatte zuvor bereits aus seinem Buch “Hannah” vorgelesen.

Neptunhalle

Die Konzerthalle auf dem Gelände der ehemaligen Neptun-Werft in Rostock ist auch ein optisches Erlebnis.

Dass sie ein großes Konzert erlebt hatten, meinten nicht nur die zahlreichen Besucher, die nach dem Konzert vor der Bühne darauf warteten, ein Autogramm zu bekommen, auch eine Mitarbeiterin der Festspiele sah wohl ihre große Stunden kommen oder war einfach nur überfordert. In einer grün-gelb-blauen Jacke stand sie am Rand der Bühne und kam ihrer Aufgabe nach, die Bücher und CDs zum Unterschreiben von unten nach oben zu dem Tisch zu reichen, an dem Müller-Stahl und Brönner fleißig schrieben. Nun tat die Blonde dies aber mit übertriebener Überheblichkeit und vermittelte den Eindruck, dass sie wohl dachte, Musiker und Schauspieler um Autograme zu bitten komme einer Belästigung gleich. Zugleich war sie wohl auch froh zeigen zu können, dass sie eben nicht zum Fußvolk, sondern zum Bühnenpersonal gehört. Jedenfalls fragte sie immer wieder barsch, wenn man ihr ein Buch zum Signieren reichte “das hier auch noch?”. Aber so ist das wohl mit den Zuträgern und Handlangern: Die, die am ehesten ersetzbar und vollkommen entbehrlich sind, machen auf dicke Hose. Die, die Autogramme schreiben, sind Profis genug, selbst zu entscheiden, wann sie keine Lust mehr haben, Bücher und Tonträgerpackungen zu beschriften. Sie können ja auch schon allein auf Klo gehen.

Und sie haben auch entschieden, wann die Signierstunde zu Ende sein sollte: Als alle Autogrammwünsche erfüllt waren. Till Brönner gibt Autogramme

Till Brönner gibt Autogramme.

Müller-Stahl gibt Autogramme

Armin Müller-Stahl gibt Autogramme.

Till Brönner und Armin Müller-Stahl

Und so sieht das von hinten aus.

Ich war dort ja privat – und zum Glück nicht beruflich. Wie mir Kollegen eben berichteten, haben Brönner und Müller-Stahl keinen einzigen Satz an Interviews gegeben. (da muss ich mich korrigieren, ich habe noch mal nachgefragt…) wollte Till Brönner keinen einzigen Satz an Interviews geben. Begründet wurde dies mit dem Hinweis, das Management wolle nicht, dass beide Künstler Brönner zum jetzigen Zeitpunkt auf Journalistenfragen antworten antwortet. Super! Knallharte Verkaufe. Da steckt bestimmt ein großer Marketing-Plan für die kommenden Touren dahinter.