“Let’s did it!”

Diesen legendär falschen Satz bekam Stefan Gwildis eigenen Angaben zufolge bei einem Festival zu hören. Es war wohl in etwa wie eine aufmunternde Anfeuerung gemeint. Jedenfalls berichtete Stefan Gwilids das heute Abend bei seinem Konzert in Rostock – und eröffnete mit dieser Anekdote sein Konzert.
Es war ein gute Auftritt vor geschätzt 700 Zuhörern im Saal 2 der Stadthalle. Er hat die von ihm intelligent auf Deutsch gecoverten Soulklassiker gespielt, dazu eigene Nummern von seinem neuen Album “Heut ist der Tag”. Zwischen den Songs ließ sich Gwildis Zeit für kruze sakrale soulige Predigten im Stile eines Priesters, der eine Gospel-Gemeinde anfeuert. So wurden die Rostocker “Brüder und Schwestern”, aufgefordert, alle Hemmungen fahren zu lassen (“Hallelujah”) und sich bei Bedarf vollständig zu entblößen oder auch die Stühle aus den Fenstern zu schmeißen. Das alles ist nicht passiert – weil unter anderem das im Durchschnitt mindestens 40 Jahre alte Publikum in langen Stuhlreihen Platz nehmen durfte. Und da ist es – vor allem im Norden – doch eher unwahrscheinlich, dass ein Konzert im Chaos endet.
Gwildis stand mit fünf Musikern auf der Bühne, spielte mit seiner Band zwischendurch unplugged, begeisterte das Publikum aber auch mit einer Percussioneinlage auf einer Blech-Mülltonne und ganz zu Anfang mit einer fetzigen Beatbox-Nummer nur mit Stimme und Mikrofon.
Der Saal 2 mutet eher wie eine Turnhalle an – die war allerdings ausverkauft. Das Publikum ging den Umständen entsprechend mit. Die Band war rasant, soulig, hatte Groove, so dass dies ein bemerkenswertes Konzert wurde. Ihr fehlte allerdings der Bläsersatz. Besonders beachtenswert sind bei Gwildis die Texte, hintersinnig, pointiert, unterhaltsam, mit Tiefgang, wie es so schön heißt. Den größten Applaus gab es wohl bei “Lass mal ruhig den Hut auf”, der Cover-Version von “You can leave your Hat on”. Schönes Konzert, schöner Abend – auch im Sitzen.

Milch gibts in der Service-Wüste

In Bäckereien oder besser: Verkaufsstellen für Teigbackwaren erlebe ich immer mal wieder dolle Dinge. Manchmal rege ich mich dort aber auch herzhaft auf. Vor allem dann, wenn ich für viel Geld, für das es an anderer Stelle nahezu komplette Mittagsmenüs gibt, koffeinhaltige Trend-Heißgetränke kaufe. Im roten Becher schäumen Kaffee-Mix, Sahnetupf und Nuss-Aroma vor sich hin – und dann leiern die Tanten hinter der Theke immer wieder denselben Satz herunter: “Zucker und Deckel finden Sie an unserer Service-Station”.
Wer jetzt erwartet, dass im Nebenraum die Mitarbeiterin der Woche wartet, die in weißem Schürzchen, hübsch zurecht gemacht, mit einem zauberhaften Sahnelächeln, mit silbernen Kännchen und umflort von einem dezenten süßen Duft sich anschickt, die eben abgefüllte Kaffee-Kreation durch das Verabreichen erlesener Ingredienzien zu verfeinern, um auf diese Weise der Mär von der Service-Wüste Deutschland eine Abfuhr zu erteilen, der wird… enttäuscht.
Die vielfach gepriesene Service-Station ist ein Verhau aus lieblos zusammengezimmerten Furnierholz-Brettern mit Fächern für Rohzucker (braun), Deckel (klein) und Deckel (mittel, groß). Das alles ist mit leicht verrutschten Klebebuchstaben beschriftet und von diversen Kunden schon mit klebrigem Karamel-Cappuccino bekleckert worden.
Das ist dann also der so genannte Service. So weit ist es inzwischen, dass man für den Kundendienst selber sorgen muss. Ich verstehe ja, dass es für Service-Kräfte schwer abzuschätzen ist, ob und wie viel Rohrzucker (braun) sich jeder einzelne Kaffeetrinker denn in seinen Becher streuen lassen möchte – beim Zwist um die richtige Menge würde sicherlich unnötig oft geflucht. Ich bin auch gern bereit, weiterhin selbst zusätzliche Zutaten in mein Heißgetränk einzurühren, ich kann, will und werde das allein tun.
Ich verwahre mich nur mit dem gebotenen Ernst und dem dazu passenden Nachdruck gegen die bodenlose Frechheit, einen Haufen Zuckertüten und nen Napf Milch als Service-Station hinnehmen zu müssen.
Ich hatte kurz überlegt, dem Unternehmen, das diesen menschenverachtenden Euphemismus zu verantworten hat, eine Mail zu schreiben. All meinen koffeingepeitschten Hass hätte in die paar Zeilen hineingehackt. Ich habe den Plan schnell wieder aufgegeben. Wahrscheinlich haben die in Ihrer Beschwerdeabteilung auch bloß so eine Art Service-Station: “Ausreden und Ausflüchte, Verweise auf allgemeine Unternehmensentscheidungen und eine Portion ausdrückliches Bedauern für unser Antwortschreiben an Sie entnehmen Sie bitte unsrer Textbaustein-Station.”
Schönen Dank auch.