Lebende Lebensmittel

Reisen in andere Winkel der Welt erweitern zwangsläufig den eigenen Horizont – auch wenn der Besuch in fernen Erdteilen manchmal extreme Anforderungen an die eigene Höflichkeit stellt. So ist Gastfreundschaft grundsätzlich ja eine sehr angenehme Sache – und wenn man dann noch eingeladen wird zu einem landestypischen Essen, da will man ja nicht Nein sagen. Was allerdings einem Schulfreund in Südkorea widerfahren ist, das lässt manchen schaudern. Er hat es aber tapfer durchgezogen, wie er am Wochenende beim Bier detailreich zu berichten wusste.

Auf Südkoreas Speiseplänen stehen demnach auch immer wieder Teller mit lebendem Meeresgetier, das dann zuweilen auch noch orientierungslos auf dem Porzellan herumkriecht, zuckt und wimmelt. Die Gastgeber des jungen Mannes schoben den Teller mit den lebenden Lebensmitteln gönnerhaft und aufmunternd in seine Richtung. Dort schlangen sich Tentakel, Fühler und Würmer angesichts andauernder Atmennot zusehend matter umeinander. “Als sich das Gewimmel etwas beruhigt hatte, griff ich dann auch zu”, wurde uns berichtet – wir konnten es schon jetzt kaum glauben. “Man empfahl mir Tintenfischarme.”

Unwillkürlich kamen uns klingonische Delikatessen aus dem Startrek-Universum in den Sinn. Tintenfisch also. Roh, noch mit einem Hauch Leben enthalten. “Man riet mir, die Dinger gut zu kauen.” – “Aha, warum?” – “Naja, wenn die nämlich noch leben und man schluckt die dann, dann kann es sein, dass sie sich in der Speiseröhre festsaugen. Und dann besteht Erstickungsgefahr.” Er sagte das, als sei das selbstverständlich.

Für einen Moment herrschte Ruhe am Tisch. Ein Gedankengewitter setzte ein. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie es wäre, wenn Broccoli-Röschen, die ich soeben verdrückt hatte, eine ähnliche Gefahr bedeuten würden: “Und dann hat sich der grüne Stumpf in meiner Zunge festgebissen”… Nein, halt, wohl eher so: “Un fann haff fich fer früne Fumpff in meiner Funge fefftfebiffn.”

Oder wie es wäre, wenn wir nahezu täglich in der Zeitung lesen müssten, dass Notärzte einen Restaurantgast nicht mehr retten konnten, in dessen Magen sich Spaghetti zu einer unheilvollen Kugel zusammengerottet hatten.

Und wie ist wohl Südkoreanern zumute, die hierzulande mit einem wundervollen Haufen Labskaus beköstigt werden, oder mit Kutteln? Es ist also wie immer alles eine Frage der Perspektive und der Herkunft. Grundsätzlich – und das ist die Lehre aus diesem sensationellen Südkorea-Bericht – muss man wohl als Gast zuweilen auch in den sprichwörtlichen sauren Apfel beißen. Oder ihn zumindest probieren. So viel Höflichkeit muss sein.

Wikipedia weiß allerhand zum Thema Ekel und Nahrungsaufnahme.

Autor: Christian

Der Verfasser aller Beiträge auf kohlhof.de

8 Gedanken zu „Lebende Lebensmittel“

  1. Höflichkeit, ja, aber ich weiß nicht … Kann man so etwas mit “man muss doch höflich sein” abtun?? Also umgekehrt würde ich so höflich sein und einem Gast aus einem ganz anderen Land niemals etwas anpreisen, was dort total landesunüblich ist. Und das sollten auch die Südkoreaner wissen. Und erst recht kein lebendes Ungetier auf dem Teller! Wie höflich ist es denn dann, wenn einem gerade beim höflichen Verspeisen das große K … kommt? Mich schaudert schon alleine bei dem Gedanken daran. Igitt!
    Und in diesem Sinne schönen Gruß an Lady Marmelade – wunderbar!!!

  2. also meine kollegin die hat mir da ja auch ma was erzählt…
    sie war mit ihrem mann (seit gut zwanzig jahren mit nem nigerianer verheiratet) zu einem empfang “von weiß’ nicht mehr was” eingeladen. gab afrikanische spezialitäten. zum dessert wurde ein schnaps gereicht. sie wollte gerne noch einen hinterher, weil das mit der köstlichste schnaps war, den sie je getrunken hatte. gab keinen mehr. für jeden nur einen. auf die frage warum, gabs erstmal nur die antwort, das dieser schnaps unglaublich schwer zu bekommen ist, sehr selten, nur ganz, ganz wenige flaschen im besitz des gastgebers. sie fragte dann noch was das denn für einer wär, obst? hätte sie sich die frage gespart, könnte sie den heute auch noch mit genuss trinken…
    buuuahh, also, man stelle sich vor: eine kleine hütte, darin ein paar kleine alte frauen, mit irgendwelchen speziellen baumwurzeln in der hand. und wo ist da der schnaps? werden die geraspelt, gewrungen, gehobelt???
    gekaut…!!
    man kaue diese wurzeln gut durch, und spucke diesen köstlich aromatiserten speichel in ein fläschen und…
    nähere details kenne ich nicht, da meine kollegin dann auch nicht weiter nachfragte…
    prost!

  3. nachdem ich meinen beitrag gestern nochmal durchgelesen hatte, fragte ich mich das auch… und heute morgen war das gleich nochmal thema. nein, sie wurde nicht vera…, erzählte dann auch noch von allerhand köstlichkeiten, die sie (einmal und nie wieder) auf diversen märkten an ominösen imbissständen zu sich genommen hatte. in meine bücherregal steht “strange food /skurrile spezialitäten” untertitel: insekte, quallen und andere köstlichkeiten!(wohlgemerkt ein lustiger bildband und kein kochbuch! ;-) )
    andere länder, andere sitten, ne!

  4. Also, da bleiben wir doch lieber bei unseren Kalabrischen Röllchen (hm …) oder bei Cevapcici (hm …) oder bei Filet Stroganof oder einfach ganz ordinärer Lasagne, Pizza und und und, gell, auch andere Länder, aber doch sooo gut … Und wenn ich mal nach Südkorea oder nach Afrika reise, dann werde ich ganz tapfer nein danke sagen! Und dann bin ich eben einfach unhöflich!

  5. @pieri:
    und dann möchte pierichen bitte noch ein mal behaupten manch anderer hier wäre “schnegich”… aha,aha, ahahaha!
    in portugal gibts auch leckere sachen! muscheleintopf mit schweinefleisch, ei-zucker-fäden… mhmh…
    :o)

  6. Also sedez, ich bleibe doch dabei, manchmal trifft das schon zu und nur weil ich kein lebendes Getier auf dem Teller mag, bin i c h noch lange nicht schnekisch und in portudal denke ich bei dem was du da anführst, kann es dann wohl auch schmecken, will see …

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