Die Tatsache, dass ich weiterhin im Besitz meines
Aufnahmegerätes bin, ist allein dem Umstand zu
verdanken, dass es diese Internetseite gibt.
Das ist eine Erkenntnis eines abwechslungsreichen
Arbeitstages, der mich heute nach Berlin führte,
zum Neujahrsempfang des Bundespräsidenten.
Zum neuen Jahr empfängt der Bundespräsident traditionell nicht nur Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, sondern auch Bürger aus allen Bundesländern, die sich ehrenamtlich engagieren. 57 Männer und Frauen waren es dieses Jahr, die am Defilee im Schloss Bellevue eingeladen waren. Drei Herren und eine Dame kamen aus Mecklenburg-Vorpommern – und das war auch der Grund, warum ich ebenfalls da war: Ich habe für unser Programm über den Neujahrsempfang berichtet.
Defilee, das funktioniert beim Neujahrsempfang so: Eine Liste mit gut 200 Personen hat das Protokoll im Bundespräsidialamt zusammengestellt und diese Menschen alle eingeladen. Traditionell beginnt das Defilee mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, danach folgen unter anderem die Oberbürgermeisterin der Bundesstadt Bonn, Vertreter der Presse (wie zum Beispiel der Vorsitzende der Bundespressekonferenz), Inspekteure der Bundeswehr, Chefs der Sicherheitsdienste, Vertreter von Kirchen und Religionsgemeinschaften.
Ein Sprecher kündigt jeden Gast an, er nennt Namen und Funktion jedes Besuchers, der vor die Kameras und Mikrofone der Presse tritt. Und da kommt einiges zusammen an Journallie.
Der Bundespräsident (heute mit tadellosem Schuhwerk, aber er war ja vorher auch nicht auf Radtour) und seine Frau Eva Luise Köhler empfangen jeden, plaudern ein bisschen, schütteln Hände, lächeln, scherzen, hören zu… bis der Mann vom Protokoll den nächsten Gast ankündigt.
Nach der ersten Runde kommt dann die “Gruppe der Bürger” an die Reihe. Auch sie werden alle einzeln vorgestellt. Und das sind dann wohl die wichtigsten Momente für die geladenen Gäste aus der gesamten Republik. Es ist jeweils nur knapp eine Minute, die das Präsidentenpaar für jeden einzelnen Zeit hat, aber auch da hören sie aufmerksam zu, lächeln, staunen und vor allem: danken. Denn genau das ist Sinn und Zweck des Neujahrsempfangs. Der Bundespräsident möchte mit der Einladung in seinen Amtssitz besondere Dankbarkeit vermitteln für das in manchen Fällen schon Jahrzehnte währende Engagement. Und den Gästen, die an der Pressetribüne vorbei zum Staatsoberhaupt schreiten, bedeuten diese kurzen Momente wirklich viel.
Die kurze Vorstellung, die der Mann vom Protokoll vorliest, gibt einen Überblick über das ehrenamtliche Engagement. Hilfe für Kranke und Behinderte, für Ausländer, der Einsatz für den Erhalt von Kulturdenkmälern, Nachbarschaftshilfe – es war eine beeindruckende Liste, die da verlesen wurde. Familie Hoffmann aus Hünfelden in Hessen zum Beispiel hat von 1972 bis 2008 als Pflegefamilie circa 120 Kinder und Jugendliche begleitet. Peter Hollien aus Bützow in Mecklenburg-Vorpommern ist seit 1943, also seit 66 Jahren, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Peter Kwiet aus Berlin ist seit über 50 Jahren Sulky-Fahrer, die Preisgelder von zusammen 20.000 Euro, die er mit seinem Pferd gewonnen hat, hat er einer Kinderklinik in Berlin-Tempelhof gespendet, um für schwerkranke Jungen und Mädchen Spielzeug zu kaufen. Der aus dem Kongo stammende Richard Nawezi aus Münster in Nordrhein-Westfalen hat unter anderem einen Verein gegründet, der von Deutschland aus Straßenkinder im Kongo unterstützt.
Viele der geladenen Gäste hatten Gastgeschenke mitgebracht, die eine Mitarbeiterin des Protokolls fein säuberlich sortierte, nachdem Köhler die Gaben entgegen genommen hatte. Bücher, Bilder, Stoffe, Kunsthandwerk und – natürlich – Lübecker Marzipan aus Schleswig-Holstein von einer Frau aus Bad Schwartau (die ja auch Marmelade hätte mitbringen können…) zählten unter anderem dazu.
Nach dem Defilee der Bürgerinnen und Bürger war Zeit für Interviews, während Kellner Sekt und Saft, pochierte Wachteleier in kleinen Teighörnchen servierten – letztere erinnerten an Mini-Vanilleeis-Tüten. Bei Gesprächen, nicht nur mit den vier Mecklenburgern, wurde deutlich: Den Gästen bedeutet die Einladung sehr viel – und zwar aufrichtig und ehrlich. Das ist vorbildlicher Einsatz für die Gesellschaft mit einer wohltuenden Bescheidenheit und Dankbarkeit für die Anerkennung durch den Bundespräsidenten.
Während die Ober neue Ladungen Wachtel-Hörnchen auftrugen, und der Neujahrsempfang mit Sportfunktionären, Fraktionschefs, Gerichtspräsidenten, Verbandsvorsitzenden, Bundeskanzlerin, Ministerpräsidenten und so fort weiter ging, war ich schon auf dem Weg Richtung Berlin-Mitte. Der Termin in der Bundeshauptstadt brachte es mit sich, dass ich heute mal im ARD-Hauptstadtstudio in der Wilhelmstraße arbeiten konnte.
Fünf Stockwerke Hörfunk und vor allem Fernsehen. Hier arbeiten die Korrespondeten der ARD-Anstalten. An den Hörfunk-Türen bekannte Radio-Namen. Dietmar Riemer, Thomas Nehls, Michael Weidemann. Im Ledersessel im Foyer: Ulrich Deppendorf, wohl auf irgendwen wartend. Vielleicht ja auf Werner Sonne, aber der war vielleicht noch beim Bundespräsidenten. Es war ein hektischer Tag im Hauptstadtstudio, schließlich hatte das Bundeskabinett gerade das 50-Milliarden-Euro-Konjunkturpaketbeschlossen.
Trotzdem war heute Platz in einer Hörfunk-Regie für mein, was die gesamtpolitische Nachrichtenlage angeht, zweitrangiges Thema. In eineinhalb Stunden habe ich eine Nachrichtenminute, zwei Beiträge mit Einblendungen produziert und auch noch ein paar einzelne O-Töne nach Schwerin überspielt. Ungewohnt für mich: Im Hauptstadtstudio übernimmt eine Technikerin (oder ein Techniker) das Schneiden und Mischen. Als Reporter bin ich es wie viele Kollegen gewohnt, allein vor mich hinzu schnitzen.
Zum Glück war ich gut vorbereitet und hatte mir in der Mittagspause schon mal sekundengenau notiert, wo im Rohmaterial die entscheidenden O-Töne stecken (das mache ich fast nie, schließlich arbeite ich ja sonst allein…). So lief das Produzieren wunderbar – und das war auch ganz angenehm, sich mal aufs Texten konzentrieren zu können und nicht noch zig Atmer, Schmatzer und Versprecher raushacken zu müssen.
Gerade rechtzeitig war ich fertig, packte meine Sachen, schaute noch schnell im NDR-Sekretariat ein Stockwerk höher vorbei und war kurz darauf auch schon auf dem Weg Richtung Autobahn. Dann sah ich, dass ich einen Anruf auf dem Handy verpasst hatte. Auf der Mailbox teilte mir die NDR-Kollegin mit, dass ich mein Aufnahmegerät in der Regie vergessen hatte. Das hätte böse enden können – ich habe keine Ahnung, wann ich es bemerkt hätte, dass ich meinen Rekorder nicht wieder eingepackt hatte.
Aber: Woher hatte die gute Frau meine Telefonnummer. Sie hat sie herausgefunden, weil sie besonders clever ist. Weil in der Redaktion in Schwerin gerade niemand zu erreichen war und das interne Telefonverzeichnis meine Nummer nicht kennt, hat die Kollegin mich gegoogelt – und ist wenig später hier im Impressum fündig geworden. Also, das nenne ich Mitdenken. Fantastisch. Auch das ist sozusagen überdurchschnittliches ehrenamtliches Engagement. Vielen Dank. Und somit schließt sich der Kreis: Ein Besuch beim Bundespräsidenten brachte mir die Erkenntnis, dass ich notgedrungen ein paar Tage auf ein Postpaket mit meinem Rekorder hätte warten müssen, wenn es diese Seite nicht gäbe.
Was für ein Tag.
Als Technikinteressierter frage ich mich gerade, wie groß den heutzutage so ein professionelles Aufnahmegerät ist. Kann man das einfach so vergessen? (Na gut, theoretisch kann man alles vergessen. Zumindest ich kann es…)
Nun ja, es ist gewiss nicht riesig (und auch noch ohne das kleine Aufsteckmikro…)
Wow, ich bin beeindruckt. Ein schönes Stück Technik!
Hah, da gibt es noch andere schöne Dinge. Leider noch teurer als mein Mäusekino.