Heute Abend also. Ab 20:15 Uhr geht es beim Vorentscheid für den Eurovision Song Contest (ESC) endlich auch mal um das Lied, mit dem Deutschland aus dem Tabellenkeller herauskommen will. Selbstverständlich ist nicht ganz unerheblich, wer dieses Lied vorträgt, und so geht es bei der letzten Runde von “Unser Star für Oslo” vor allem auch um die Person, allerdings auch um die Persönlichkeit. Auf jeden Fall hat das musikalisch interessierte Voting-Volk jede Menge zu tun, weil es sich eben nicht nur zwischen Lena Meyer-Landrut und Jennifer Braun entscheiden muss, sondern auch, mit welchem Lied die eine oder die andere am 29.Mai auf der europäischen Bühne antreten soll. Mannomann, das geht hoffentlich gut.
Lena Meyer-Landrut scheint heute Abend wohl die Favoritin zu sein. Zumindest weckt Sie das mit Abstand größte Interesse bei Suchanfragen bei google.
Das muss nichts heißen – kann aber doch schon auf den möglichen Ausgang des heutigen Abends hindeuten – unabhängig von der musikalischen Qualität ihrer Vorträge.
Lena Meyer-Landruts Name dominiert die die Suchanfragen der letzten 30 Tage aus Deutschland (so habe ich die Abfrage gefiltert). Die 18-Jährige aus Hannover liegt bei den google-Suchanfragen seit Beginn des Vorentscheids vor den Namen der zuletzt vier Teilnehmer. Ihre direkte Konkurrentin heute Abend, die ebenfalls 18-Jährige Jennifer Braun hinterlässt in der google-Statistik bei den Suchbegriffen erst seit dem 8. März messbare Spuren (die obige Auswertung gibt Daten bis 10. März wieder). Sie lag damit weitgehend auch noch hinter den inzwischen ausgeschiedenen Kandidaten Kerstin Freking und Christian Durstewitz.
Diese Statistik ist nicht repräsentativ und sagt erst recht nichts über Sympathien für Kandidaten und darüber, wie die Suchenden ihre musikalischen Qualitäten beurteilen, aus. Allerdings lässt sich daraus ableiten, dass Lena Meyer-Landrut das mit Abstand größte Interesse weckt. Die Anzahl der Suchanfragen nach ihr übertrifft Jennifer Braun um den Faktor 13.
Die Frage, wer die bessere Sängerin und damit auch der geeignete Star für Oslo ist, ist damit noch nicht beantwortet. Da sollte man mal in die Darbietungen des Halbfinales vom Dienstag reinhören. Lena Meyer-Landrut hatte mit “Mr. Curiosity” von Jason Mraz erstmals ruhigere Töne angeschlagen, aber längst nicht immer die richtigen (hören Sie zum Beispiel bei 0:49 mal hin). Gewohnt aufgedreht im Lena-Stil war dann “Love Cats” als zweite Nummer, aber, nun ja, es erinnerte auch zeitweise an Sprechgesang.
Lena überzeugt das deutsche Publikum durch ihre Schlagfertigkeit, durch ihren Humor, ihre erfrischende Unbekümmertheit und mit ihrem Gesang, der selbstverständlich äußerst überdurchschnittlich ist. Aber ist er auch ausreichend für 3 Minuten in ganz Europa, wobei es dann im entscheidenden Moment nicht auf Schlagfertigkeit ankommt, weil die in anderen Ländern rein sprachlich sowieso niemand verstehen würde, sondern eben auf die Musik? Das kann gutgehen, wenn Lena Meyer-Landrut sich ihre Unbekümmertheit bewahrt. Diese Hoffnung habe ich schon vor ein paar Wochen geäußert. Aber da war auch noch nicht abzusehen, wie stark sich die zweite Finalistin, Jennifer Braun, bis zum heutigen Tag entwickeln wird.
Sie hat sehr sicher und überzeugend mit “Hurt” von Christina Aguiliera und “Heavy Cross” von Gossip den Einzug ins Finale geschafft. Vollkommen berechtigt. Sie ist, was Auftritte und Bühnen angeht, die erfahrenere Kandidatin, auch wenn USFO und ESC alle bisher erlebten Gig-Dimensionen sprengen dürften. Aber: Sie war in den letzten Vorrunden die bessere Sängerin. ESC-Beobachter Jan Feddersen sieht deshalb heute Abend so etwas wie einen Kampf zwischen David und Goliath aufziehen, auch wenn der Vergleich nicht nur hinkt, sondern humpelt und eigentlich einen Rollstuhl benötigt. Lena ist ja keinesfalls ein unsympathischer Koloss, den es nun unbedingt zu bezwingen gilt. Es wäre aber wohl ESC-strategisch die bessere Wahl. Aber vielleicht sind diese Zeilen ja schon weit vor Mitternacht hinfällig, denn das Prozedere heute Abend wird ein heftiges Aussieben werden, das die Redaktion von n-joy in einer über 2 Megabyte großen PDF-Datei veranschaulicht. Hier eine vereinfachte Darstellung:
Vielleicht wird ja heute Abend alles anders, denn USFO-Deutschland entscheidet ja nicht nur, wer in Oslo singen darf, sondern auch, was dort vorgetragen wird. So gehts: Komponisten und Produzenten, deren Namen bis nach der Show nicht veröffentlicht werden, haben vier Songs entwickelt. Für jede Kandidatin je ein eigenes Lied, das auf sie persönlich zugeschnitten ist – und zwei weitere Songs, die jeweils beide Finalistinnen singen müssen. Die Zuschauer entscheiden dann zunächst, welches Lied jeder Kandidatin das beste war. Jede Kandidatin tritt also zunächst mit drei Songs an.
Nach der ersten Runde gehts dann ums Ganze. Lena und Jennifer treten noch einmal auf. Und zwar mit dem Lied, das sie nach Meinung der Zuschauer am besten dargeboten haben. Es kann also sein, dass beide mit demselben Lied in die alles entscheidende Runde gehen, oder eine zum Beispiel mit ihrem ganz persönlichen Lied und die andere mit einem der beiden Auswahl-Songs.
Diese Idee finde ich ganz gut, bislang wars ja schon ein bisschen schwierig zu beurteilen, wer von allen Vorrundenkandidaten der geeignetste wäre, weil man ja als ESC-Souverän das Lied für Oslo noch gar nicht kannte. Und wenn das wirklich so tolle Lieder sind, wie allgemein erwartet wird, dann kann es durchaus möglich sein, dass Lena doch die bessere Kandidatin ist…
Ich finde den ESC herrlich, weil man so wunderbar spekulieren und eigentlich nichts mit einiger Sicherheit vorhersehen kann, weil es immer noch ein paar unbekannte Faktoren gibt.
Sicher ist allerdings, dass das Abstimmungsverfahren nicht ganz so demokratisch ist, wie in den Moderationen immer mal wieder behauptet wird. Zwar kann und darf jeder daran teilnehmen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Alter und dergleichen, aber jeder hat beliebig viele Stimmen. Wie viele jeder abgeben darf, hängt allein vom Einkommen ab und wie viele Anrufe und SMS für je 50 Cent man bereit ist zu investieren… wenn manüberhaupt ein Telefonhat.
Ja, es geht nur um Musik und um den USFO, ich wollte das ja nur mal gesagt haben…
Die Show beginnt um 20:15 Uhr im Ersten. Den Live-Stream kann man auch im Internet verfolgen, und zwar in der Mediathek der ARD.
Oh oh, ich gucke gerade zum ersten Mal (bis jetzt sind sämtliche Vorausscheide still und leise an mir vorübergegangen, aber nachdem sich nun unsere Bürogespräche schin seit einer Woche um USfO drehen…). Das groovt ja fein — wenn die nicht aufpassen, gucke ich dieses Jahr zum ersten Mal seit Jahren ohne ironische Distanz den ESC!
Schönes Ding :-)
Es hat genau die gewonnen, die ich auch als Gewinnerin gesehen habe (siehe meinen Kommentar an anderer Stelle)! Starke Stimme hatte auch Jennifer – in der Tat fast eine Kopie von der Silbermond-Stefanie. Aber starke Stimme alleine hat nicht genügt. Wie man bei der Vorstellung der Interpreten der eingeblendeten Länder sehen konnte, gibts auch dort starke Stimmen und gute Songs, hoffentlich ohne großen Zauber drumherum, wie schon so manche Jahre. Endlich mal wieder das Gefühl, hier hat echt die/der Interpretin/Interpret und das Lied gewonnen und nicht die Show. Zumindest das, was sie schon gezeigt haben, klang sehr gut. Lena hat in ihrem Vortrag das ganz Besondere und das haben nun zum Schluss alle gesehen. Wie weit sie das in Oslo voranbringt wird sich zeigen. Ich werde ihr die Daumen drücken.
Zum Schluss schließe ich mich dem Wunsch von Xavier Naidoo an: Ein richtig gutes Lied in unserer Sprache, das wäre auch mal wieder nicht schlecht. Dass man damit großen Erfolg haben kann, zeigen ja ganz besonders die beiden Juroren neben Stefan Raab. Vielleicht kann sich XN ja mal dazu durchringen und eins schreiben. Dieser Weg wird kein leichter sein … – ein super Song von ihm, der hier ins Schwarze trifft!