Rostocker Polizeiruf

Heute Abend war Vorpremiere für den neuen Teil der ARD-Krimi-Reihe “Polizeiruf 110”. Die Endlosserie hat nun ja auch ein Rostocker Ermittler-Duo, das in der erste Folge den Mord an zwei Mädchen aufklären muss. Der Film wurde heute Abend im Capitol auf der ganz großen Leinwand gezeigt. Nach dem Abspann gabs vom Rostocker Premierenpublikum kärftigen, aber kurzen Applaus. Zwischendurch gabs immer wieder anerkennendes Raunen, zum Beispiel, als Hauptdarsteller Charly Hübner plötzlich fließend Russisch sprach. Szenen-Applaus gabs auch für den Kollegen Ralf Markert, der in einer kleinen Rolle als Reporter am Leichen-Fundort sogar eineinhalb Sätze sagen durfte.

Der Fall an sich ist ebenso brutal wie abstoßend, vom neuen Ermittler-Team kann man sich aber auch in den nächsten Folgen als auflockerndes Gegenstück die nötige Portion Situationskomik und auch ein bisschen Sarkasmus erhoffen, das hat in der ersten Rostocker Folge schon gut funktioniert. Getuschel im Publikum gabs natürlich auch immer dann, wenn Rostock als Kulisse zu erkennen war. So zeigt der Vorspann viele bunte Ecken in Rostock: Nicht nur die Fußgängerzone, ein Drachenbootteam der Uni und Schiffe im Hafen, sondern auch ein Anti-Nazi-Plakat, welches vermutlich in der KTV gefilmt wurde.

Der Film thematisiert auch die Gehlsdorf-Innenstadt-Problematik: Man muss nämlich einen riesigen Umweg in Kauf nehmen, um vom einen Warnos-Ufer zum anderen zu gelangen. Deshalb sieht man Hauptdarsteller Charly Hübner gleich mehrfach verbissen hinterm Lenkrad sitzend um durch den Stadthafen kurven (auch wenn er dabei einmal in die falsche Richtung rollt – aber für die Filmdramatik wars bestimmt vorteilhafter, das so zu drehen und nicht anders).

Der Film zeigt natürlich auch weniger attraktive Ecken von Rostock. Schließlich stammen die Opfer im Film aus Evershagen – und auch die Täter sind dort zu vermuten. Deshalb bilden auch die Innenhöfe riesiger Plattenbauten oft den Hintergrund. Die erste Folge des Rostocker Polizeirufs stellt die Stadt, was die Bildauswahl angeht, ausgewogen dar. Was die Handlung angeht, könnte die so auch in jeder anderen Stadt spielen. Mit anderen Worten: Rostock kommt gut weg.

Aber während ich so im Kinosessel saß und den teilweise sehr schnellen Schnitten zwischen diversen Handkamera-Aufnahmen folgte, fiel mir ein grundsätzliches Phänomen auf, das in vielen Spielfilmen zu finden ist. Es ist wahrscheinlich meine berufsbedingte Binnensicht, aber ist ihnen schon mal aufgefallen, wie seltsam in vielen Filmen Radiomoderatoren und Fernsehreporter klingen und wie komisch Zeitungs-Titelseiten aussehen? Da achten die Leute vom Film auf so viele Details: Auf die richtigen Kennzeichen an den Autos, dass die Uhren immer die passenden Zeiten anzeigen, Körperhaltungen trotz drei Tagen Drehpause immernoch nahtlos und ohne Unterschied ineinander überblendet werden können – aber um die Stimmen aus Radio und TV macht sich offenbar niemand Gedanken – oder jedenfalls nicht die richtigen.

Wenn im Fernseher in der Polizeizentrale wie zufällig ein Bericht über das grausige Verbrechen läuft, dann klingt das in der Regel so, als habe der Film-Reporter gerade erst sprechen gelernt: unbedarft, ungelenk betont, leise, zaghaft. Und dann spricht er auch noch Sätze wie dieses exemplarische Beispiel: “Zu einem schrecklichen Verbrechen kam es gestern blablabla.” So redet man vielleicht auf tv-rostock, alle anderen echten Sender formulieren da lieber genauer auf den Punkt. So vielleicht: “Die Polizei hat noch keine heiße Spur vom Mörder der 13-jährigen Anna aus Evershagen. Ein Spaziergänger hatte die Leiche des Mädchens heute  Morgen auf dem stillgelegten Werftgelände in Warnemünde gefunden….”

Und dann die Stimmen aus dem Radio. Wenn Ermittler das Autoradio anschalten oder in irgendwelchen Familienserien das Küchenradio quäkt, dann sind das nie echte Sendungsmitschnitte (oder es sind Ausschnitte aus grauer Radiovorzeit). “Es ist ein wunderschöner Morgen um kurz nach 7. Hier ist Radio Rostock.” Es gibt interessantere Moderationen, nun gut. Aber die Stimme wiederum ist sonst garantiert nie im Radio zu hören. Eben unbedarft, ungelenk betont, leise, zaghaft.

Dazu passt dann leider auch die Titelseite der lokalen Tageszeitung im Film. Im Rostocker Polizeiruf ist an einigen Stellen die Ostseezeitung zu sehen. Der Titelkopf stimmt, es sieht also ein bisschen so aus wie das Original. Aber der Rest sieht aus wie zusammengeklaubt mit der Data-Becker-Hochzeitszeitungsdruckerei. Seltsame Schriftarten und -schnitte sowie Umbrüche, Trennstriche in Überschriften.

Ich weiß, ich weiß, das sind winzige Details. Die Filme funktionieren auch so. Ist ja nur ne Anregung. Ich frage mich allerdings, was wohl Ärzte und andere Berufsgruppen so darüber denken, was ihre Film-Pendants den lieben langen Fernsehabend von sich geben. Die Juristin an meiner Seite jedenfalls wusste vom Kinosessel aus schon mal anzumerken, dass “vorsätzlicher Mord” doppeltgemoppelt ist. Vorsatz sei ein Mordmerkmal, dannwürde das auch niemand noch einmal dazusagen… Aber wir haben ja auch einen fiktionalen Film gesehen. Und keine Dokumentation.

5 von 5 Kohlhof.de-Sternen für die erste Folge des Rostocker Polizeirufs, die es am Sonntag, 18. April, ab 20:15 Uhr im Ersten zu sehen geben wird.

PS: Das ist dann übrigens auch ein Punkt für Rostock im knallharten Städtevergleich. Schwerin hat sein Ermittlerteam längst verloren. Und Lübeck hatte jahrelang “Freunde fürs Leben” (kann also froh sein, keinen Punktabzug zu bekommen).

Rostock : Schwerin – 3 : 6

Autor: Christian

Der Verfasser aller Beiträge auf kohlhof.de

2 Gedanken zu „Rostocker Polizeiruf“

  1. Glaub mir, in meiner Berufsgruppe muss man sich bei 99% aller Filme sehr viel Blödsinn ansehen, wenn ein Computer in einem Film auftaucht. Die Krönung war bisher für mich 24[1], wer auch nur etwas Ahnung von EDV hat, kommt aus dem Lachen nicht wieder raus. Inzwischen bin ich ganz gut darin, solche Szenen einfach zu ignorieren. Es ist dann immer sehr erfrischend, wenn man Szenen entdeckt, in denen wirklich “echte” Software benutzt wird, so gesehen in Matrix (wer hätte das vermutet). Dort wird tatsächlich nmap benutzt und kein riesiger Bildschirm ist zu sehen, auf den in großen Lettern “PASSWORD” steht und der bedrohlich piepst, während der Countdown zur Selbstzerstörung gegen 0 strebt. Mir fallen in diesem Zusammenhang die Filmgesetze[2] ein, die viele solcher Dinge zusammen fassen. Zu Radioreportern steht da noch nichts drin.

    [1] http://de.wikipedia.org/wiki/24_%28Fernsehserie%29
    [2] http://ml.42.org/nick-fun/msg00276.html

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