Ausreise

Es ist das meiner Meinung nach beeindruckendste Ton-Dokument der Zeitgeschichte: Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der Prager Botschaft. Vom Balkon aus spricht der Bundesaußenminister zu tausenden Flüchtlingen aus der DDR. Die Nachricht: Sie dürfen ausreisen. Die zweite Hälfte seines Satzes geht im tosenden Jubel unter.

Heute habe ich dieses Zitat endlich mal in einem Beitrag verwenden können – wenn auch in vollkommen anderem Zusammmenhang. Mit den Kollegen Oliver Schubert und David Pilgrim habe ich ein fiktives Tagebuch von Hansa-Rostock produziert. Anlass war die Tatsache, dass die Mannschaft nach einem Testspiel im Iran wegen Schneewetters vier Tage in Teheran festsaß. Wir haben rumgesponnen, was den Abflug noch hätte verzögern können: Abgelaufene Pässe, Airline pleite und so weiter.
Nach fast einem Jahr Zwangspause im Iran dann: Hoher Besuch aus Deutschland. Und dann der O-Ton von Genscher, der nun zur Hansa-Mannschaft sagt: “Wir sind heute zu ihnen gekommen, um ihnen mitzuteilen, dass heute ihre Ausreise…..”

Uns hats Spaß gemacht, dieses kleine Hörspiel zu produzieren – ist hoffentlich gut angekommen.

Übbrigens habe ich Herrn Genscher mal bei einem Wahlkampftermin vor ein paar Jahrenn in Rostock getroffen. Ich habe ihn gefragt, wie der Satz eigentlich weiterging, den er da auf dem Balkon gesagt hat. Eher unspektakulär: “…in die Bundesrepublik Deutschland möglich geworden ist.”

Mutter mit 14

Der erste Arbeitstag im neuen Jahr bescherte mir einen Einsatz im Kreiskrankenhaus Demmin. Dort ist Phil zur Welt gekommen. Weil er das am 1. Januar um 0.02 Uhr getan hat, geht er nun als “erstes Baby in Deutschland im Jahr 2008” in die Chronik ein.

Phil ist, wie alle Neugeborenen eigentlich, winzig, niedlich, ein wenig zerknautscht und schläfrig. Gewicht (3270 Gramm) und Größe (50 Zentimeter) machen ihn zu einem “Durchschnittseuropäer”, wie es die Oberärztin heute früh augenzwinkernd formulierte. Der kleine Mann ist ein properes, gesundes Kerlchen.

Seine Mutter ist allerdings selbst noch fast ein Kind: Sie ist 14 Jahre alt, der Vater des Kindes ist 16. Das habe sie sich nicht träumen lassen, dass sie in diesem Alter schon Mutter wird, sagte die Gymnasiastin. Ihre Familie würde sie aber gut unterstützen. So sei auch schon geregelt, dass sich Oma undUroma um Phil kümmern, wenn seine Mutter wieder zur Schule geht.

Mutter mit 14 zu sein, das ist bestimmt besonders schwierig. Um so besser für Mutter und Kind, wenn der Nachwuchs in einer funktionierenden Familie aufwächst. Gute Wünsche begleiten die junge Mutter jedenfalls – auch von Leuten, die sie gar nicht kennt: Viele meiner Kollegen haben mich nämlich nach meiner Rückkehr aus Demmin gefragt, wie es um Mutter und Kind bestellt ist.

Edit: Über Phil habe ich heute in 2 Reportagen für NDR1 Radio MV berichtet und außerdem ein langes ARD-Sammel abgesetzt. Bei NDR1 Radio MV gibt es seit heute eine neue Frühsendung mit dem Titel “Markert am Morgen“. Und dazu gibt es auch einen Blog.

Nachts im Funkhaus

Wenn man morgens, sehr früh morgens ins Studio kommt, dann macht man natürlich gleich das Licht an – is ja klar. Neulich fiel mir das Lichtermeer der Leuchten und Dioden auf, die da im Dunklen vor sich hin funkeln. Und das habe ich dann nachts im Funkhaus fotografiert.

Bitte Ruhe vorm Sprecherraum

Notausgang

Notausgang

Ganz wichtig (vermute ich)

No disc… no fun

Mikro an

Mikro ist an

Keine Ahnung, was das ist (aber es is so schön blau)

grüne Kreuzasten

Für den guten Klang… oder das gute Bild

Gelbe Tasten

Ja, es gibt auch gelbe Knöpfe

Und dann habe ich das Licht angemacht…

Sprecherkabine

Für einen Beitrag über eine Razzia in der Drogenszene von Güstrow musste es gestern am Abend schnell gehen. Ich war nicht mehr im Studio und habe deshalb mit Hilfe von drei Sofakissen und einer alten Decke im Wohnzimmer eine Sprecherkabine aufgebaut. Da:

Meine Sprecherkabine im Wohnzimmer

Gepolsterter Klang: Meine improvisierte Sprecherkabine rund ums Notebook. Ja, das sah bestimmt doof aus, als ich da hineingekrochen bin.

Es dürfte in etwa so ausgesehen haben wie bei Fotografen, die historische Apparate benutzen und ihren Kopf unter ein schwarzes Tuch stecken.

Dieses Abpolstern ist nötig, weil sonst schlicht viel zuviel Raumhall die Aufnahme versaut. Nicht umsonst sind ja auch Studios an den Wänden gut gepolstert. Beitrag schnell geschnitten und ans Funkhaus übermittelt, klang ganz gut.

Das erklärt einiges…

“Achtung, Achtung! Wir haben Ihnen davon Mitteilung zu machen, dass … ” heute vor 84 Jahren zum ersten Mal in Deutschland eine Erlaubnis erteilt wurde , ein Radio betreiben zu dürfen. Die “Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Rundfunkempfangsstelle des Reichspostministeriums” erging am 31. Oktober 1923 an Wilhelm Kollhoff in Berlin. Dieser Name, dieser Klang! Diese verblüffende Ähnlichkeit der Schreibweise. Also, nee. Damit ist bewiesen: Die Kohlhofs und Kollhoffs und Radio – das ist eine ganz besondere Beziehung. Kleine Unterschiede in der Schreibweise sind da doch zu vernachlässigen.

Herr Kollhoff aus der Turmstraße in Berlin zahlte für die Genehmigung Nummer 1 übrigens 350 Milliarden Reichsmark. Wirtschaftlich liefs eben damals nicht so richtig…

Was er zu hören bekam, war wohl unter anderem dies hier (Real-Audio-Format).

Akkord

Mal wieder bloß fürs Protokoll: Heute war echt viel zu tun, abzulesen oben bei den Einschalthinweisen. Hintergrund war eine Pressekonferenz der norddeutschen Innenminister und -senatoren in Heiligendamm. Und morgen gehts munter weiter. Ich leg mich mal kurz hin, bloß für ein Viertelstündchen. Nur noch schnell dieses Posting hier zuen… chchrrr,….chchrrrr,….. ch..ch…chrrrr.

Weltweit

Normalerweise geht das so: Ich stell die Fragen… auf Deutsch. Heute wars mal anders. Ich musste antworten… auf Englisch. Weil die Stadtvertreter von Bad Doberan heute offiziell und nachträglich Adolf Hitler die Ehrenbürgerwürde aberkennen wollten (was sie auch einstimmig getan haben), war ich plötzlich Interview-Partner für den World-Service der BBC.
Die Kollegen aus London wollten wissen, warum es bis zum Jahr 2007 dauerte, bis in Bad Doberan jemand auf die Idee kommt, mal darüber abzustimmen, Herrn Hitler die Ehrenbürgerrechte abzuerkennen.
Das Interview lief am Abend.
Screenshot der BBC-Website mit meinem Namen

BBC-World-Service Website. Dort war mein Interview auch kurze Zeit online zu hören.

Nun ist es ja nicht so, dass ich auch mal auf Englisch träume oder Harry Potter im Original genieße. Ich hatte also meine liebe Mühe mit Begriffen wie honory citizenship, allied control council und so weiter (vor allem was die Verbindung dieser und anderer Wörter zu einem sinnvollen, nachvollziehbaren und zeitlich passendem Ganzen angeht). Die BBC-Leute haben aus meinem Englisch for Runaways 2:30 gemacht. Immerhin.
Zum Fall Adolf Hitler jetzt noch schnell eine vereinfacht dargestellte eilige Zusammenfassung ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Im August 1932 hat es eine Beschlussvorlage in Bad Doberan gegeben, eingereicht von der NSDAP, die damals die Mehrheit hatte. Inhalt: Hitler soll Ehrenbürger der Stadt werden (die er ja angeblich auch so toll gefunden hat). Der Beschluss selbst ist im Archiv nicht zu finden, es kann aber aufgrund anderer Quellen als gesichert gelten, dass Hitler Bad Doberans Ehrenbürger wurde. Das ist damals in viele Städten passiert. Bad Doberan war aber die erste deutsche Kreisstadt, die das entschied.
Aufgehoben wurde dieser Beschluss bislang nicht. Viele westdeutsche Städte taten das von sich aus nach dem Krieg, einige aber auch erst sehr spät. In Ostdeutschland gab es solche Entscheidungen an vielen Orten nicht, weil man sich nicht als Rechtsnachfolger des Nazireichs sah. Das geschah erst nach der Wende. Rostock zum Beispiel fasste einen entsprechenden Beschluss 1992.
In Bad Doberan tat man das nicht. Argument heute: Die Ehrenbürgerschaft endet bei jedem automatisch mit dessen Tod. Das gilt als allgemein richtig unter Juristen. In Bad Doberan hat man es also nicht für nötig befunden, Nazi-Diktator und Menschenfeind Hitler die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen. Nicht, weil man das nicht für geboten erachtete, sondern einfach, weil man dachte, das sei automatisch geschehen. Auf den symbolischen Akt, diese Entscheidung zurückzunehmen, verzichtete man. Bis jetzt.
Kritiker des G8-Gipfels in Heiligendamm, der Ortsteil gehört zu Bad Doberan, brachten das Thema in die Medien und wieder auf die Tagesordnung. Die Folge: Riesendebatten und Medientrubel aus aller Welt in der Kreisstadt. Die Stadtvertreter und der Bürgermeister reagierten schnell, brachten einen fraktionsübergreifenden Antrag auf den Weg – und mit dessen Hilfe wurde der Ehrenbürgerbeschluss von 1932 aufgehoben. Einstimmig, fast 62 Jahre nach dem Ende des Nazi-Regimes.

Das ist Dienstag früh auch Thema bei ndr info.

BBC-World-Service ist das Auslandsprogramm der BBC, es wird in 33 Sprachen produziert und ist mit seinen verschiedenen Diensten nahezu weltweit zu empfangen. Es ist vergleichbar mit der Deutschen Welle.

Rosenkohl

Oh mann! Also heute ist hier so ein Tach – ich kann jetzt nicht auf Einzelheiten eingehen – an dem ich mal wieder dankbar bin, dass es Rosenkohl gibt. Eben jener hat mir heute die nötige Kraft gegeben, mich mit den Irrungen und Wirrungen in der größten Stadt des Landes herumzuschlagen.
Mahlzeit.