Oster-Souvenir aus Lübeck: “Wie ein Steuerberater sehen Sie NICHT aus. Gruß!” Diese Brocken klemmten, hastig hingekritzelt, auf einem lieblos zerfransten Schnipsel Papier an meinem Scheibenwischer. Ich vermute, die Botschaft ist das Produkt eines Feiertags-Wochenendes, das für den unbekannten Verfasser ungewöhnlich arm an sonstigen Höhepunkten war. Aber dann passierte doch noch etwas, was in der kleinen Welt hinter hastig zugezogenen Häkelgardinen nicht sein darf und deshalb für hektische Flecken im Gesicht sorgt: Mein Auto stand auf dem Parkplatz eines Steuerberater-Büros.
Tatsächlich weist ein ordentliches Schild am Stellplatz vorm Haus darauf hin, wessen Wagen hier parken darf: Das Auto einer Mitarbeiterin im Steuerberater-Büro im selben Block. In der Woche jedenfalls. Aber auch ich parke dort immer, wenn ich am Wochenende dem Westen einen Besuch abstatte. Die gute Frau, die zu dem Steuerberater-Schild gehört und den Platz gemietet hat, weiß das. Sie hats erlaubt. Seit bestimmt sieben Jahren schon. Sie benötigt den Stellplatz am Wochenennde nämlich nicht.
Nun gut, dass kann der Langweiler-Piefke mit den kleinen Zetteln natürlich nicht wissen. Wenn Rostocker Autos auf Lübecker Privatplätzen rumoxidieren, da muss man doch einschreiten. Oder soll das immer so weiter gehen? Wo kämen wir denn da hin, wenn sich keiner mehr um die ordnungsgemäße Zuteilung von Parkplätzen kümmern würde? Erst stellen sie unsere Parkplätze voll, ‘ne Woche später zieht einer von denen bei uns ein – und eröffnet unter falschen Angaben ein Steuerberater-Büro.
Womit wir beim zweiten wesentlichen Punkt wären. Woran genau lässt sich an meinem Äußeren ablesen, dass ich definitiv nicht Steuerberater bin? Ich habe zwei Beine, gehe aufrecht, wasche und kämme mich täglich, ich trage sogar eine Brille, halte meine Kleidung in Ordnung und spucke nicht auf die Straße. Ich erfülle also die Grundvorraussetzungen, auch für einen Steuerberater gehalten zu werden.
Nur zu gern hätte ich mit dem Absender darüber diskutiert. Ich hätte ihm auch ein gutes Buch empfohlen oder aus einer TV-Zeitschrit ein paar spannende Sendungen herausgesucht. Damit kann man sich stundenlang beschäftigen ohne in gebückter Haltung durch die Miefvorhänge des eigenen Wohnzimmers auf betonierte Freiflächen blinzeln zu müssen.
Leider zog es der Verfasser vor, anonym zu bleiben. Wir werden also weiter vermittels kleiner Kassiber kommunizieren müssen. Ich habe meinen Zettel schon vorbereitet, den ich demnächst in Lübeck auf meinem Armaturenbrett auslegen werde. Meine Antwort an den Piefke wird in etwa lauten: “… und Sie sehen aus, als hätten Sie keine Ahnung! Gehen Sie weg! Gruß!”