Protestierender Preisträger

Der Deutsche Fernseh-Was? Ach so, Fernsehpreis. Darüber hätte wohl kaum jemand ernsthaft ein Wort verloren, wenn nicht Marcel Reich-Ranicki den Ehrenpreis der Stifter erst nach anfänglicher scharfer Ablehnung und dann auch nur unter bestimmten Bedingungen angenommen hätte. Der 88-Jährige hatte in seiner Rede die Annahme der Trophäe abgelehnt, weil er “nicht in die Reihe” der anderen “vielleicht zurecht” Geehrten gehöre. Von Blödsinn war da sogar die Rede.  Und was man sich da alles anschauen musste während der vierstündigen Aufzeichnung in Köln…. aber sehen sie selbst:

Die Süddeutsche liefert ein nahezu wörtliches Protokoll dieser Ansprache (die Huster bleiben dabei allerdings selbstverständlich unerwähnt).

Das alles war ein Eklat mit Ankündigung, „Protestierender Preisträger“ weiterlesen

Arien an Gleis 9

Sehe gerade etwas Faszinierendes im Fernsehen: La Traviata im Hauptbahnhof, live auf arte. Der Kulturkanal überträgt die Verdi-Oper direkt von den Bahnsteigen und aus den Verkaufshallen des Hauptbahnhofes in Zürich. Ein Imbiss ist dabei ebenso Kulisse wie ein Gepäckwagen oder ein Fahrkartenschalter.

Opernszene aus dem Hauptbahnhof von Zürich, live auf Arte, TV-Screenshot So sah man eben schon die männliche Hauptrolle Rolltreppe fahren und in einen Zug steigen, der dann auch abfuhr.

Opernszene aus dem Hauptbahnhof von Zürich, live auf Arte, TV-Screenshot

Dazwischen stehen tausende zufällige Zuschauer, also Pendler, Fernreisende, von denen man viele aufgeregt telefonieren sieht. Andere hasten durchs Bild, weil sie noch schnell einen Kaffee beim Bäcker kaufen wollen, im Hintergrund flimmern Werbetafeln, ein Zugschaffner fertigt zwischen zwei Sätzen noch schnell einen Intercity ab. Dass sie alle an diesem Abend ausgerechnet in einer zugigen Bahnhofshalle Teil einer live im Fernsehen übertragenen Operninszenierung werden, damit haben wohl nur wenige gerechnet.

Natürlich geht es um Liebe, um unglückliche selbstverständlich – und das alles auf Italienisch, mit Untertiteln. Kurz zusammengefasst: Junge aus gutem Hause liebt Mädchen aus durchschnittlichem Hause, welches überdies aber leider auch sterbenskrank ist. Familie von Mann will das junge Liebesglück beenden, sät Zwietracht. Die Verwirrungen daraus reichen für eine fast dreistündige Fernsehübertragung (mit Pausen).

Opernszene aus dem Hauptbahnhof von Zürich, live auf Arte, TV-Screenshot

Sehr interessante Art von Fernsehen – ein spannendes Experiment, das sehr gut zu gelingen scheint. Die Logistik, die dahinter steckt, mag man sich gar nicht vorstellen, wenn ein Opernensemble samt Orchester einen Hauptbahnhof mit über 20 Gleisen als Kulisse nutzt und das alles noch im Fernsehen übertragen werden muss, während der Verkehr auf dem Bahnhof ganz normal weiterläuft und die meisten Zuschauer gar nicht ahnen, dass sie Zuschauer werden, bis sie plötzlich zwischen Fahrscheinautomat und Bahnsteigkante mitten drin sind. Besonders beeindruckend sind die Einblendungen der Spidercam, die Kamerafahrten nahezu durch die gesamte Bahnhofshalle erlaubt, weil sie wie eine Spinne an Seilen unter dem Bahnhofsdach hängt. Schiefgehen, so sagte es der Opernregisseur in einer Pause, könne eigentlich nichts: nur ein Stromausfall oder ein Meteoriteneinschlag könnten jetzt noch die Oper im Bahnhof im Wortsinn aus der Bahn werfen. Auf der Internetseite gibt es Hintergründe zu diesem Fernseh-Höhepunkt.

Wie das wohl in Rostock aussehen würde. Das Ensemble des Volkstheaters im S-Bahn-Tunnel unterm Hauptbahnhof?

Wenn das Mikro aus ist

Was passiert eigentlich in einem Radio-Studio, wenn das Mikrofon ausgeschaltet ist? Wie lange dauert es, die Moderatoren vom Nordmagazin zu schminken? Wie arbeiten Reporter auf einem Ü-Wagen? Wieviele Meldungen kommen jeden Tag über die Nachrichtenticker? Was erleben Korrespondenten am anderen Ende der Welt? Der NDR lädt am kommenden Sonntag, 21. September, zum Tag der offenen Tür im Landesfunkhaus in Schwerin (Programm, Skizzen, Parkplatzliste). Dort stellen sich NDR1 Radio MV und das Nordmagazin vor. Reporter, Redakteure, Moderatoren, Techniker und Verwaltung erklären, wie Rundfunk funktioniert. Ich werde am Sonntag auch in Schwerin sein. Das wird bestimmt eine interessante Erfahrung, denn üblicherweise sehen Radio-Leute ja die Menschen, denen sie etwas erzählen nicht. Am Sonntag kann man uns bei der Arbeit zusehen und vor allem: Hinter die Kulissen blicken, Studios besichtigen, Ü-Wagen erkunden und mit vielen Radio- und Fernsehleuten schnacken. Dazu gibts dann noch das Finale vom NDR1-Radio-MV-Hitmarathon live auf der Bühne. Vielleicht sehen wir uns ja im Gewusel.

Umschalten neu geladen

Gerde eben ist die erste Folge der neuen Staffel der wunderbaren Fernsehparodie “Switch reloaded” zu Ende gegangen. Es waren ein paar sensationelle Clips dabei. Vor allem der kurze Einspieler “Mein RTL” mit einem ungepflegten Präkariats-RTL-Zuschauer im typischen RTL-Paternoster – und ganz zum Schluss die Parodie der Börsenmeldungen im Ersten, die es kurz vor der 20-Uhr-Tagesschau zu sehen gibt: „Umschalten neu geladen“ weiterlesen

Heidis Schergen

Gerade eben durfte ich die Top-Model-Show mit Heidi Klum verfolgen. Nett, nett. Aber die Musik, die im Hintergrund läuft, wenn die Jury den Mädchen mitteilt, wer eine Runde weiter ist, könnte bei unbedarftem Nebenbei-Sehen zu unheilvollen Missverständnissen führen: “Was läuft da noch gleich?” Da dröhnen Contrabass und Celli, brummeln Pauken und düstere Percussion… übertrieben dramatisch.

Das würde – rein theoretisch – vom Klang her auch zu einer Sonntag-Abend-Doku von Guido Knopp taugen: “Nazi-Schergen in Farbe” oder so. Alte Menschen sitzen vor grauen Pappwänden und erzählen, wie schlimm das damals alles war. Im Hintergrund dröhnen Contrabass und Celli, brummeln Pauken und düstere Percussion. Dazwischen dann wackelige Schwarzweiß-Filmchen von der Front.

Bei der Model-Show ist das ähnlich. Nur da sitzen junge Mädchen vor weinroten Papptafeln und sagen, wie schlimm gerade alles war – auch, dass man vielleicht mal ganz dringend auf Klo musste. Und dann diese entsetzlichen Kunstpausen, bei denen die Kamera wahlweise auf dem Gesicht von Heidi Klum oder der gerade vorgeführten Delinquentin ruht. Das ist nun wieder entsetzlich und wirkt bemüht gestreckt. Klar ist das spannend, aber muss man den gleich so in die akustische Mottentrickkiste greifen?

Flocke live

Große Güte, es ist doch bloß ein Eisbär! “Was macht denn Flocke gerade?”, fragte der Nachrichtenmann im Privatfernsehen gerade seine Reporterkollegin am Gehege in Nürnberg, wo Eisberg Flocke heute der Weltpresse vorgestellt wurde. Der Bärennachwuchs tolle gerade ohne Spielzeug im Gehege rum, war die Antwort. Live-Bilder direkt aus der Anlage belegten das.

Eine halbe Stunde zuvor hatte die Reporterin bei n-tv schon versucht, das Spektakel zu beenden. “… und damit zurück nach Köln”, war ihr dankenswerter Versuch, Flocke nicht wichtiger zu machen, als sie ist. Aber der Kollege im Studio bügelte diesen Versuch dann doch ab. “Oh nein, ein paar Sendeminuten haben wir noch!” Im Anschluss wurden elendig lange Fragen aufgeworfen, zum Beispie nach dem Umsatz, den Flocke dem Tiergarten in Nürnberg bescheren könnte. Die ehrliche Antwort: das könne ja noch keiner wissen.

Im ZDF lief parallel eine Live-Variante des Zoo-Tagebuchs “Nürnberger Schnauzen”, heute eine Mischung aus Archivbilderm von Tierpflegern mit Mundschutz, Live-Bildern aus dem Gehege und vermutlich nur mit einem Kamerakran machbaren Schwenks zum Stehtischchen direkt am Zaun, wo Reporter und Fachleute sich über Flocke ausließen.

Nebenan in der ARD begann wenig später “Flocke live”, nicht ohne den Aspekt zu erwähnen, dass das Tier eine Art Blitzlicht-Training absolviert haben soll, bevor es vor die Presse kletterte. Der Schwenk auf die Pressetribüne offenbarte dann auch das große Medieninteresse, das sonst nur mit Gipfeltreffen und dem Auflauf an irgendwelchen wichtigen roten Teppichen vergleichbar ist.

Es ist doch nur ein Eisbär (über den Google-News eben gerade 332 Artikel gefunden hat) …

Streit live

Eigentlich geht es darum, warum es mehrere Wochen dauert, einen Fahrstuhl zu reparieren. Allerdings mögen sich der Fernsehreporter und der Nachrichtenmann im Studio nicht besonders. Jedenfalls ist der Mann im Studio nicht zufrieden mit der Arbeit seines Kollegen am Ort des Geschehens. Zickenkrieg, und es sind männliche Zicken, in einem New Yorker Fernsehsender. Und tatsächlich: Eine Nachfrage wäre vielleicht nicht schlecht gewesen.

Im Fernsehlexikon gefunden – dort gibt es auch einige Infos über den Nachrichtenmann und den Reporter.

“Mach mich viel dicker”

“Super Size Me” ist der Fast-Food-Selbstversuch der Dokumentarfilmers Morgan Spurlok. Einen Monat lang hat er sich ausschließlich von Brötchen mit Klopsen, frittierten Kartoffelstreifen, weichen Getränken und geschüttelter Milch ernährt (um mal gängige Begriffe der Speisekarten einschlägiger Restaurationbetriebe in deutscher Übersetzung aufzulisten).So übersetze ich den Titel des Streifens auch gleich frei mit “Mach mich viel dicker”.

Den Dokumentarfilm gibts heute um 23 Uhr im ndr-Fernsehen. (Infos in der Internet Movie Database). Wird bestimmt interessant, auch wenn manche es anzweifeln, dass in der Dokumentation alles echt ist – wer kann sich schon 30 Tage ausschließlich von schnell zubereitetem Essen ernähren?