Ach, der Grand Prix. Was soll man noch sagen. Die 52. Ausgabe des Eurovision Song Contests hat eine Serbin gewonnen – weil ihr Vortrag wirklich gut war. Das spiegelt sich auch in der Punktevergabe wider. Für Marija Serifovic gab es nicht nur aus benachbarten und historisch bedingt befreundeten Ländern viele Punkte, sondern auch aus West- und Nordeuropa.
Aber dann: Die Ukraine holte sich mit Travestie und Wortfetzenklamauk Platz 2, Russland schickte ein zusammengecastetes Mädchentrio nach Helsinki und somit auf Platz drei in der Gunst derjenigen Europäer, die per Telefon mit abgestimmt haben.
Roger Cicero landete mit “Frauen regier’n die Welt” auf Platz 19 mit 49 Punkten.
Zusammengefasst hatten die Final-Beiträge aus allen Ecken des Kontinents ein gutes Niveau (von Ausreißern wie Großbritannien und Irland mal abgesehen). Rein nach musikalischen Gesichtspunkten hätte die Abstimmung auch eine ganz andere Reihenfolge ergeben können. Zufall, dass dies nicht passiert ist? Wohl nicht.
Auch im Jahr 2007 zeigte sich, dass der weltgrößte Musikwettbewerb ein strukturelles Problem hat.
Von den 42 Nationen, die mit abgestimmt haben, sind 20 zum ehemaligen sogenannten “Ostblock” zu rechnen. Höchstpunkte an benachbarte Nationen sind dort eher die Regel als unter Westeuropäern. Unabhängig, wie viele Einwohner jedes Land hat oder Teilnehmer bei der Abstimmung mitmachen: Jeder kann dem beliebtesten Song 12 Punkte geben.
Ergebnis in diesem Jahr: Die 16 ersten Plätze teilen sich Ost- und Südosteuropäer und die Türkei.
Natürlich entscheiden die Menschen dort nicht ausschließlich nach politischen und/oder historischen Gesichtspunkten, stellt sich aber die Frage, ob der Song Contest unter dieser Dominanz leidet. Viele Fans in Deutschland, Finnland und anderswo wüften das als ungerecht empfinden.
Allerdings darf hier auch der Hinweis nicht fehlen, dass die Abstimmung nur in Ansätzen demokratisch und schon gar nicht repräsentativ ist: Nur, wer bereit ist, Geld auszugeben, darf mit entschheiden, dass dann aber auch so oft, wie er möchte. Außerdem ist noch nicht klar, wie groß der Marktanteil der Show in Europa war.
Oder aber – auch das ist natürlich möglich – das Abstimmungsergebnis 2007 ist der Beweis dafür, dass in den meisten Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes derzeit mehr Musik gemacht wird, die dem gesamteuropäischen Geschmack entspicht.
Trotzdem, wenn man das Abstimmungsverfahren ändern wollte: Es dürfte nicht einfach sein, eine Lösung zu finden. Vielleicht ist Musik auch etwas zu Banales, um über eine Stimmengewichtung debattieren. Aber wenn dies diskutiert wird, dann dürfte jetzt schon klar sein, dass die Debatte darum lange dauern könnte. Vielleicht müssten in die Gewichtung der Länderstimmen Werte wie “Bevölkerungsanteil in Europa”, “Höhe der Beiträge an die Eurovision”, “Anzahl der Anrufer”, “Zahl der Zuschauer”, oder was auch immer berücksichtigt werden. Ein Weg, den Effekt der gegenseitigen Verbundenheit zu mindern, wäre das aber wohl noch nicht. Abgesehen davon müssten ja auch die betroffenen Länder diese Idee noch gut finden.
Aber warum sollte es bei so einem Musik-Firlefanz einfacher sein als bei wirklich wichtigen Dingen.