“Jetzt trinken wir erstmal nen Lütten”, befahl der Gastgeber nach deftigem Grünkohl mit allerlei Kartoffeln, Braten und Würstchen. Die Gäste nahmen die Idee dankbar an. “Ganz was Feines” wurde angekündigt. Die Toten Hosen haben schon über diese Sorte Schnaps gesungen, und dass man ihn bitte eisgekühlt zu sich nehmen möge. Wie fein dieser Tropfen aber war, sollte sich erst im Laufe des Abends herausstellen.
Als sich das Gebräu gerade mit wohliger Wärme in meinem Magen ans wohltuende Werk machte, warf ich – unbedarft und ahnungslos – einen Blick aufs Etikett. Folgendes stand dort zu lesen:
“Sie erhalten Bommerlunder überall in der Bundesrepublik, in West-Berlin, ferner in folgenden Staaten: Belgien, Niederlande, Dänemark, Grönland, Schweden, Norwegen, Großbritannien, Irland, Frankreich, Österreich, Italien, Schweiz, Spanien, USA, Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Peru, Venezuela, Australien, Äthiopien, Japan, Thailand, Republik Kongo, Liberia, Republik Südafrika, Süd-West-Afrika, Kanarische Inseln, außerdem erhältlich auf fast allen deutschen und vielen Schiffen anderer Nationen und auf allen Routen der Deutschen Lufthansa.”
Diese kurze Reise um die Welt ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. West-Berlin gibt es seit dem 3. Oktober 1990 nicht mehr. Süd-West-Afrika hieß bis 1990 so, heute heißt der unabhängige Staat Namibia. Was mit Republik Kongo gemeint ist, ist nicht ganz klar. So gibt es sowohl die Demokratische Republik als auch die Republik Kongo. Die Demokratische Republik erhielt 1960 ihre Unabhängigkeit, hieß zwischen 1971 und 1997 allerdings Zaire, während die benachbarte Republik Kongo mit diesem Namen ab 196o zunächst Kongo-Brazzaville hieß. Das Land heißt seit 1991 Republik Kongo. Ein rascher Blick ins Internet brachte Klarheit.
Auf den Etiketten der Flasche finden sich keine Strichcodes, keine Embleme irgendwelcher Recycling- und Wertstoffketten, kein Mindesthaltbarkeitsdatum, keine Chargennummer, kein Marken- oder Gütesiegel, nichts. Allerdings ist dort zu lesen, dass der Schnaps einen Gehalt von 40 Volumenprozent hat. Laut Homepage hat Bommerlunder heute 38 Prozent. Und auf der Rückseite steht, dass der Fusel im Jahre 1760 zum ersten Mal hergestellt worden ist. Und weiter: “Das Rezept blieb, auch nach über 200 Jahren, so vollkommen und so unnachahmlich wie am ersten Tage.”
Das lässt folgende Schlüsse zu:
1.) Die Etiketten sind vor 1990 gedruckt worden
2.) Wenn tatsächlich “nur” die Republik Kongo gemeint ist, dann muss das Etikett vor 1971 gedruckt worden sein. Sonst würde da ja Zaire stehen.
3.) Wenn anzuhnehmen ist, dass Werbetexter immer das aktuellste Jubiläum erwähnen, dann hätten sie 1990 wohl eher formuliert: “Nach über 225 Jahren”. Es ist also zunächst anzunehmen, dass die Flasche zwischen 1960 und 1971 befüllt worden ist.
Antiker Aquavit. Wie es mit streng wissenschaftlichen Hypothesen so ist, gilt auch diese so lange als wahr, wie sie nicht widerlegt worden ist. Zur Erhärtung der Thesen werde ich demnächst mal eine Rechercheanfrage an Berentzen/Dethleffsen in Flensburg schicken, wann Etiketten mit diesem Text verwendet wurden, ob sich der Alkoholgehalt geändert hat (und wann) und was die Flasche wohl wert gewesen wäre, wenn sie der Gastgeber nicht in zuvorkommender Gastfreundschaft geöffnet und ihren historischen Inhalt mit Nachdruck an den Mann gebracht hätte.
Die Flasche stammt übrigens aus dem Bestand einer guten Bekannten, irgendwo, ganz hinten im Kellerregal hatte man sie einst entdeckt…
Über Nebenwirkungen ist bislang nichts beknnnnnnrlgfrtssssssssssssssss….