Stick-matisiert

“Wo ist eigentlich mein USB-Stick?” fragte die Buchhändlerin meines besonderen Vertrauens vor einigen Tagen und fügte klagend hinzu: “Ich habe schon überall gesucht!” Dazu muss man wissen, dass der Speicherstift zuletzt an meinem Rechner gesehen wurde, als wir gerade eine Hausarbeit darauf speicherten. Dann gab es noch eine kurze Sichtung am Kassentresen im Buchladen. Seitdem fehlte von dem kleinen, schwarzen Riegel jede Spur. Damals hatte ich den Stick seiner Eigentümerin zurückgegeben, als ich sie kurz mitten im Verkaufstrubel aufgesucht hatte.

“Ich habe schon alle Rucksäche durchwühlt. Und Taschen. Und Jacken. Und Jackentaschen!”, zählte die Buchhändlerin auf.  Selbstverständlich habe ich keinen blassen Schimmer, wo Buchhändlerinnen, und ganz besonders diese, ihre Speichermedien so zu verwahren pflegen. Ich ahnte allerdings, dass es dafür – wenn überhaupt – nur eine höchst unpraktische Systematik gibt. Wir arbeiten seit Jahren an einem ganz ähnlichen Problem mit Haustür- und Wohnungsschlüsseln… Sie verstehen.

So sagte ich also, einfach nur, weil mir nichts besseres einfiel: “Und hast du auch in dem kleinen Lederrucksack nachgesehen, den du manchmal benutzt?” – “Also da ist der USB-Stick nun wirklich ganz bestimmt nicht drin”, gab man mir barsch zurück. An dieser Stelle ist klar, wie die Geschichte ausgeht. Ich möchte trotzdem noch ein bisschen weiter erzählen, weil dies eine wunderbare Möglichkeit ist, meinen wenn auch späten Triumph auszukosten. „Stick-matisiert“ weiterlesen

Schalperiode

Mit der Heizperiode hat in vielen Büros in diesem Jahr nun auch eine Schalperiode begonnen. So sieht man nun auf jedem Flur Kolleginnen und Kollegen ganz besondere Halstücher zur Schau tragen. Ganz so, als hätten Sie bei der morgendlichen hektischen Ankunft im Büro zwar gerade noch daran gedacht, den Mantel abzulegen – dann aber inmitten bimmelnder Telefone und angesichts neuer Aktenstapel auf dem Schreibtisch vergessen, auch noch den Schal vom Hals zu wickeln.

Und so ist man dann in der nicht ganz angenehmen Situation, dass man sich bei jedem Pausenplasuch und jeder Bürobesprechung zwingen muss, nicht dauernd hinzustarren auf den Schal. “Entschuldigung, Sie haben da was am Hals”, möchte man sagen. Aber wäre das zu aufdringlich? Vielleicht ist ja doch alles Absicht und der Wickel zwischen Kinn und Brust soll so – und diesen Kontrast bilden zwischen Pullover, Bluse oder Sakko.

Natürlich gehen die Gedanken dann in zwei Richtungen: 1.) Was kommt als nächstes – indoor-Pudelmützen vielleicht? Und 2.) brauche ich jetzt auch so ein Schal-Dings, was kostet es, gibts das auch in meiner Größe, wie lange wird es hipp sein… Ich werde darüber nachdenken – bis zum Frühling bin ich damit hoffentlich durch.

Besen als Löffel

In einigen Büros sind Löffel out und kleine Schneebesen absolut in. Und die haben sogar einen Vorteil.

“So rührt man jetzt um”, sagte man mir, weil ich wohl eindeutig verdutzt dreinblickte. Für die Besprechung am Mittag lag neben der Kaffeetasse nämlich kein handelsüblicher Löffel, sondern vielmehr ein kleiner Schneebesen wie aus der Puppenküche. Jeder bekam einen. Die metallenen Utensilien gehören angesichts der Gebrauchsspuren an Griff und Besen ganz offensichtlich zur Standardausrüstung im Büro.

Nun gut, so nahm ich denn ergeben den kleinen Besen und verwirbelte das Milchpulver in der Tasse. Einen Zeit-, Aromen- oder Coolness-Vorteil konnte ich nicht feststellen. Allerdings auch keine Nachteile. Vielleicht war der Besen auch nötig, weil der Kaffee “ganz schön nördlich” war (um hier mal meine Oma zu zitieren, die kräftig angerührten, starken Kaffee gern mit den grimmigen klimatischen Bedingungen des Nordens assoziierte. Mit fortschreitendem Alter und damit verbundener gesundheitlicher pedantischer Sensibilität, was möglicherweise schädliche Einflüsse auf denen eigenen Körper anging,  war es schließlich soweit, dass meine Großmutter selbst entkoffeinierten, hellbraunen Kaffee, durch den man den Boden der Tasse erkennen konnte, für zu nördlich befand… aber das ist eine andere Geschichte. Der Begriff “nördlich” im Zusammenhang mit Kaffee ist in der Familie jedenfalls verbraucht).

Aber halt! Einen Vorteil gibt es doch. Mit diesem Ding wird auch der letzte Stoffel gar nicht erst versuchen, Zucker aus dem Topf zu schaufeln. Es gibt schließlich wenig Abstoßenderes, als sein Gegenüber dabei zu beobachten, wie es erst den eigenen Kaffeelöffel ableckt, um dann genau damit eine weitere Schippe Zucker aus der Dose zu schaufeln.

Wie auch immer. Es ist mir gelungen, den Kaffee fehlerfrei auch mit einem Schneebesen umzurühren. Außerdem erwarte ich nun die nächste Eskalationsstufe: Handrührgeräte, Innenbordmotoren am Becherrand oder ein Kaffeetassen-Jacuzzi…

Cowputer

In den Niederlanden werden Milchkühe nun durch Cowputer, sogenannte “Weideboter” ersetzt. Die Milchbauern waren skeptisch, sind inzwischen aber weitgehend überzeugt – auch dank großzügiger Subventionen.

Die Agrarindustrie in den Niederlanden hat einen weiteren Schritt zur Effektivitätssteigerung in der Milchproduktion getan. So stehen auf den ersten Weiden nun Weide-Roboter, wie dieses Foto zeigt, das kohlhof.de exklusiv vorliegt.

weideroboter
Weide-Roboter in schematischer Darstellung. Foto: Christian Kohlhof

Die Kuh-Maschinen sehen schwarzbuntem Milchvieh zum Verwechseln ähnlich, sollen den Milchausstoß der niederländischen Landwirtschaft aber um 300 Prozent erhöhen helfen. Die Milchbauern versuchen mit den modernen Maschinen, den neuen Vorgaben der Lebensmitteldiscounter zu entsprechen. Die Handelsketten hatten bei den jüngsten Preisverhandlungen durchgesetzt, dass jeder Kunde pro Liter Milch und Pfund Butter, das er im Einzelhandel mitnimmt, künftig nicht mehr bezahlt, sondern noch bis 25 Cent Belohnung bekommt. Dies sei wiederum nur möglich, wenn durch eine Milchflut am Markt der Preis in ungeahnte Tiefen sinkt.

Die Discounter haben deshalb die Entwicklung sogenannter Cowputer angestoßen. Deren erste Prototypen stehen nun unter dem Namen Weideboter auf Feldern und Wiesen. Marketing-Experten hatten dazu geraten, auf die Silbe “Ro” mitten im Namen zu verzichten, um die zuweilen recht skeptische Kundschaft nicht zu verstören. „Cowputer“ weiterlesen

“Schweinegrippe!”

Jeden Nieser mit “Schweinegrippe, wa?” zu kommentieren, nervt!

Es vergeht in diesen Tagen ja kaum ein Nieser, ohne dass jemand mit einem schelmischen Augenzwinkern raunt, ausruft oder einwirft: “Schweinegrippe, wa?” Das ist natürlich lustig – beim ersten Mal. Inzwischen ist die Halbwertzeit dieser ironischen wie leider auch inflationär verwendeten Anmerkung, mit der eine vollkommen harmlose Körperreaktion des Gegenübers mit Bezug aufs Zeitgeschehen kommentiert wird, aber gut durch und kann getrost in die Witzekiste zurückgelegt werden – um dann modifiziert bei der nächsten monatelang bevorstehenden Pandemie wieder hervorgekramt zu werden – je nachdem, welches Wesen, Land oder Haushaltsgerät dann Namenspate für eine Grippewelle sein wird…

“Ameisenbärgrippe, wa?”

“Amöbengrippe, wa?”

“Frisörgrippe, wa?”

“Fernbedienungsgrippe, wa?”

“Pflaumengrippe, wa?”

“Kaffee-Grippe, wa?”

“Internet-Grippe, wa?”

“Schlumpfhausen-Grippe, wa?”

“Nutellagrippe, wa?”

“Grippengrippe, wa?”

Nagellackentferner-Pads

Man liest ja so viel. Und dann tragen auch noch die Leute in der Warteschlange an der Supermarktkasse zum latenten Gefühl der Unsicherheit ihren Teil bei. Vor mir legte ein massiger Typ mit langem, wirrem blonden Haar folgende Artikel aufs Förderband: Eine Flasche Body-Lotion, eine Sprühdose leicht entzündliches Haarspray, acht kleine Töpfchen mit je 25 Nagellackentferner-Pads und vier Batterien. Ich bin geneigt, dieser Aufzählung noch ein alarmierendes Ausrufezeichen hinzuzufügen: ! – Wer weiß, was man daraus alles basteln kann. Wer weiß, was passiert, wenn man Nagellackentferner-Pads unter Strom setzt, wenn sie erst einmal mit der blaugrünen Flamme aus einer Haarspraydose auf die notwendige Temperatur gerbacht worden sind. Vielleicht müssen wir bald wieder von aufgesprengten Geldautomaten, entgleisten Straßenbahnen und spurlos verschwundenen Tätern, dafür aber von kleinen, kreisrunden Aschehäufchen berichten…

Ich war echt beunruhigt, weil alle Waren, die das Kassenmädchen über den Scanner zog, überhaupt nicht zum Käufer zu pasen schienen (bis auf die Batterien vielleicht).

Ich habe eben mal Onkel Google gefragt, ob der was weiß über Pads, Lotion, Spray und Strom und wie man das zusammenbasteln kann… nichts (außer Sonderangebote in diversen Drogeriemärkten). Das gibt nun wieder Hoffnung. Vielleicht liest man ja auch einfach zu viel…

Zum Beginn des neuen Schuljahres…

… haben Pädagogen den Angehörigen und Freunden von Erstklässlern empfohlen, die Jungen und Mädchen nicht mit Geschenken zu überhäufen. Zwar sei der Beginn der Schulzeit zweifellos ein bedeutsames Ereignis in jeder Biographie, allerdings sei es in der Regel auch keine besonders herausragende Leistung allein durch fortschreitendes Alter und die damit verbundene Entwicklung die Schulreife zu erreichen.

In den bis zu einem dutzend Schuljahren, die dem ersten Schultag noch folgen sollen, sei viel Wichtigeres und damit Belohnenswerteres zu leisten, als einfach nur mal hinzugehen. Im Übrigen seien Geschenke, die künftig bei der Bewältigung des Schulalltages helfen können – wie etwa Stifte, Federtaschen und altersangemessenes Ähnliches – wohl zu den sinnvollsten Gaben zur Einschulung zu rechnen. Absprachen in der Kohorte der Schenkenden seien in diesem Zusammenhang unerlässlich, um ein unerwünschte Anhäufung von Anspitzern, Geodreiecken und dergleichen zu vermeiden…einschulung

… Diese Warnung verhallte in einigen Fällen nahezu ungehört. (Foto: Christian Kohlhof)

Vergangenheits-Bewältigung

Wirre Feierabendgedanken über den eher unwahrscheinlichen Fall, dass man nach einer Zeitreise Botschaften in Jetzt schicken müsste – und wie man dies am besten anstellen könnte.

Über dem Paulsdamm zogen gerade dunkelgraue Wolken zusammen, als ich fröhlich pfeifend in den Feierabend fuhr. Und da durchzuckte mich – passend zur Bewölkung – ein Gedankenblitz, dessen Einschlag im entscheidenden Teil meines stets wachen Gehirns eine Kettenreaktion auslöste, die ich so lange nicht erlebt habe.

Was würde bloß passieren, überlegte ich, wenn nun ein Blitz mein Auto erfassen würde und dann durch einen dummen Zufall und eine Verkettung von an und für sich ganz unvorstellbaren Ereignissen ich mitsamt meines Gefährts in der Zeit zurückgeschleudert werden würde, ohne im Jetzt auch nur den Hauch einer Spur zu hinterlassen. In etwa so wie in den „Zurück-in-die-Zukunft“-Filmen auf einem blauen Lichtstrahl und einer Flammenspur ins Ungewisse reitend.

Abgesehen davon, dass ich mit einem Mittelklassewagen im Mittelalter, Mesozoikum oder in der Ming-Dynastie sicherlich für Aufsehen sorgen würde, schoss mir die Frage ein, wie ich dann wohl in der Vergangenheit meinen Lieben im Jahr 2009 eine Nachricht hinterlassen würde, um sie zu beruhigen. „Vergangenheits-Bewältigung“ weiterlesen

Karten für Kent

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Kent Nagano. Foto: Wilfried Hoesl

Es ist wie ein Reflex: Aha, für das Konzert mit Dirigent Kent Nagano gibts noch Karten – dann kaufen wir die mal. So muss man das machen. Es ist wie bei Depeche Mode. Da sind die Karten auch binnen Sekunden, so scheint es, vergriffen. Da ist der Run auf Tickets für einen Besuch beim Stardirigenten und seinem Bayerischen Staatsorchester schon zumindest ansatzweise vergleichbar. Man überlegt jedenfalls nicht lange, ob es sinnvoll ist, sich für ein Picknick-Pferde-Sinfoniekonzert mit besagtem Herrn Nagano am Pult noch schnell Karten zu ordern. Man macht das einfach.

Erst später – wenn das Konzert schon begonnen hat – kann es passieren, dass einem auf erschütternde Weise bewusst wird, wo man da eigentlich hineingeraten ist. „Karten für Kent“ weiterlesen