Held 5002

Ein Waschbär aus Mecklenburg-Vorpommernhat einen Weltrekord im Laufen aufgestellt.

Der tragische Held der folgenden Geschichte hat nicht mal einen Namen, nur eine Nummer: 5002. Unter dieser Ziffernfolge hat er aber immerhin einen Weltrekord aufgestellt. Und der ist typisch für Mecklenburg-Vorpommern: Es ist ein Rekord im Abwandern. Ein Phänomen, das seit der Wende im Nordosten ganze Landstriche entvölkert. Alles längst bekannt. Aber dieser Fall sorgt noch einmal bundesweit für Aufsehen. Der Protagonist allerdings erntet diesen Ruhm erst postum. Nummer 5002 ist… nein: war ein Waschbär. Und Nummer 5002 ist längst tot.


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Vorher: Die Biologin Berit Köhnemann mit dem zwölf Wochen alten Rekordhalter in spe am Tag seiner Markierung im Müritz-Nationalpark. Foto: Projekt Waschbär
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Nachher: Jägerin Helga Will mit demselben Tier am Tag seiner Erlegung im knapp 300 km entfernten Revier Oerel. Foto: Rolf Kröger

285 Kilometer Luftlinie Richtung Westen ist Waschbär Nummer 5002 gewandert – und damit wohl so weit, wie noch nie ein Waschbär zuvor. Nach allem, was Fachleute über das Herumstreunen von Waschbären wissen, dürften es insgesamt wohl 800 Kilometer Fußmarsch gewesen sein, die Nummer 5002 zurückgelegt hat, während er durch weite Teile Norddeutschlands mäanderte. Wie auch immer: Jedenfalls gibt es weltweit keine Aufzeichnungen über ähnliche Laufleistungen bei Kleinbären. Nun gibt es sie – aber wer weiß, wozu 5002 noch imstande gewesen wäre? Denn ausgerechnet eine niedersächsische Jägerin sah in dem pelzigen Wandergesellen nicht den wissenschaftlichen Leistungsträger, sondern nur den Problembären und bereitete dem Ausflug in den vermeintlich Goldenen Westen ein waidmännisches Ende. Irgendwo in der Nähe von Oerel bei Bremen war der Wanderbär in eine Tierfalle getappt. Und “Oerel”, das dürfte so in etwa auch der letzte Laut gewesen sein, den Bär 5002 von sich gegeben hat, als die Jägerin beherzt ans Problembeseitigen ging.

Das wird mindestens 90 Tage später gewesen sein, nachdem die Mitarbeiter vom “Projekt Waschbär” im Jahr 2006 im Müritz-Nationalpark Nummer 5002 im zarten Alter von zwölf Wochen auf seine Mission geschickt hatten. Sie hatten ihm winzige Marken ans Ohr gepinnt und einen kleinen UKW-Sender an einem Halsband umgelegt. „Held 5002“ weiterlesen

Zertrümmerte Becher

Eilmeldung auf kohlhof.de

Bei einem Unglücksfall in der Schweriner Küche von Christian Kohlhof sind am Abend zwei Trinkgefäße erheblich beschädigt worden. Die Becher mit historischen “Stenkelfeld”-Motiven liegen teilweise in Trümmern. Über die genaue Ursache ist noch nichts bekannt. Menschliches Versagen ist aber nicht auszuschließen. „Zertrümmerte Becher“ weiterlesen

Respektsperson

Soeben wurde ich Ohrenzeuge einer handfesten verbalen Auseinandersetzung auf der Straße unter meinem Fenster. Mindestens zwei Achtjährige hatten sich ordentlich in der Wolle und belegten sich in den höchsten Tönen mit Verwünschungen und Warnungen – hochfrequent kreischend und manchmal auch quiekend, so wie Achtjährige das in solchen Fällen eben tun. “Das stimmt jagaaanich!” – “Wohl” – “Das is gemeheiiin!” – “Gaanich. Kuckdichdochmaan!” – “Und wenn Du das so weiter machst dann, dann – [kurze Grübelpause] dann geh ich nach Haus! UND SAG DAS MEINER MAMA!!”
Ich hatte keine Ahnung, was diesen Zwist heraufbeschworen hatte. Aber die unverholene Drohung, Anzeige bei Mutti zu erstatten, brachte nicht nur akustisch eine neue Schärfe in die Debatte. Es entstand eine längere Pause, in der man in der gesamten Straße eine Stecknadel hätte fallen hören können. Kein Autobrummen, kein Lärm von Staubsaugern beim Frühjahrsputz, nicht mal die laut aufgedrehte Stereoanlage aus der Dachgeschosswohnung gegenüber war zu hören. Die Vögel hatten aufgehört zu zwitschern. Im Haus schräg gegenüber zog eine ältere Dame hastig ihre Vorhänge zu. Der Friseur unten im Haus schleppte hastig seine Werbetafel in den Hausflur, warf noch schnell einen letzten Blick auf den Kübel mit bunten, friedlichen Frühlingsblühern vor dem Schaufenster, um dann hastig die Haustüt von innen zu verrammeln. Es ging auf zwölf Uhr…
“Das sollst Du mal wagen, Dich mit mir anzulegen!” hörte ich dann eine Kinderstimme brummen. “Dann geh ich zu meinem Vater. Und der ist Polizist!” Bumms. Das hatte gesessen. Die Auseinandersetzung war beendet. Die Drohung, staatliche Macht notfalls auch aufgrund von persönlichen Beziehungen für eigene Zwecke bemühen zu wollen, hatte jede weitere Diskussion überflüssig gemacht. Der Polizei-Trumpf sticht bei Zweitklässlern immer.
Der andere kleine Mann auf der Straße jedenfalls schien sich in seine Machtlosigkeit zu fügen. Es hätte nur eine Karte gegeben, die das Blatt noch hätte wenden können. Aber: Ganz offensichtlich war seine Mama nicht die Frau vom Innenminister.

Chinchilla-Nacktmull

Meinem Gegenüber standen für einen Moment die Tränen in den Augen. Ich hatte einen Witz auf Kosten ihrer Chinchillas gemacht. Konnte ja nicht ahnen, dass die Dame mit dem resoluten Mundwerk derart empfindlich reagiert, wenn es um die possierlichen Nager geht. Aber urteilen Sie selbst:

Zunächst ging es in der Unterhaltung bei Tisch um die Tatsache, dass Chinchillas so flauschig und niedlich und überhaupt sind, dass man sie einfach gern haben muss. Dann ging es darum, dass bei besagter Dame ein Chinchilla-Mädchen aus dem Käfig ausgebüxt war, quer durch die Wohnung strolchte und erst nach Stunden mühsamen Jagens wieder eingefangen werden konnte. Dann das eigentliche Problem: Dame sagt: “Wenn Chinchillas sich gestresst fühlen, dann geht ihnen das Fell aus.” Ungläubiges Nachfragen aus der Runde. Bestätigung: “Ja, die haaren dann. Wenn sie sich erschrecken, wenn sie Angst haben. Dann verlieren Chinchillas viele Haare.”

Schnitt. „Chinchilla-Nacktmull“ weiterlesen

Atomarer Erstschlag

Manches möchte man unter keinen Umständen im Radio hören: “Dieses Land wurde mit Atomwaffen angegriffen. Alles ist kaputt… und denken sie daran, dass es überhaupt nichts nützt, jetzt vor die Tür zu gehen, weil bald der Fallout einsetzt. Belassen sie ihr Radio auf diese Frequenz eingestellt, aber schalten sie jetzt ab, um Batterien zu sparen. In zwei Stunden melden wir uns wieder.” Huiuiuii! Das ist der sinngemäß überstezte Ausschnitt aus dem Text (PDF), den die BBC in Großbritannien in den 70er Jahren auf allen Frequenzen verbreitet hätte, wenn „Atomarer Erstschlag“ weiterlesen

Mehdorn-Pauschale

Das Lesen dieses Artikels ist für Menschen älter als 60 kostenfrei. Allen anderen geht in den nächsten Tagen per E-Mail eine Rechnung zu. Wenn Sie diese lieber per Post haben wollen, werden weitere Beträge fällig… Das sichert Arbeitsplätze und die Qualität dieser Internetseite. Dafür wollen Sie bitte Verständnis haben. Vielen Dank.

Ach, Sie sind dagegen? Dann möchte ich Sie gern entschädigen: Die Aufregung um die Bediengebühr von 2,50 Euro am Bahnhofs-Schalter war heute auch Thema in der Diskussionssendung “klar und deutlich” bei NDR1 Radio MV. Es könnte alles noch viel schlimmer kommen mit der Mehdorn-Pauschale. Ich habe eine Glosse beigesteuert, die man sich auf der Internetseite des NDR noch einmal anhören kann.

Sturz ohne Handy

“Oha, jetzt muss ich aber aufpassen, dass ich hier nicht gleich abrutsche und auf die Schnauze falle”, dachte ich noch so bei mir, als ich geschmeidig, kraftvoll und mit entschlossenem Schritt in Ausübung meiner Dienstpflichten am Kreuzfahrtterminal in Warnemünde entlanghastete. Behende hatte ich bislang alle Hindernisse umkurvt: Spaziergänger, Kinder auf Fahrrädern, Lastwagenfahrer, die in kleinen Gruppen auf dem Bürgersteig standen. Weil so viel los war auf dem Fußweg hatte ich mich im rasanten Lauf zu einer Gratwanderung entschlossen. Direkt auf dem Kantstein setzte ich mit weiten Schritten einen Fuß vor den anderen. Ich hatte gerade die Wörter “Schnauze fallen” zuende gedacht, da glitt ich mit dem linken Fuß rechts am Kantstein hinunter, was zwangsläufig dazu führte, dass ich mit dem rechten Fuß an meiner linken Wade hängen blieb. Mit dem eleganten Spurt war es in diesem Moment vorbei. „Sturz ohne Handy“ weiterlesen

Tropenfrucht vermisst

Es ist ein wenig unheimlich: Ich bin mir ziemlich sicher, nein, sogar sehr sicher, dass ich eine Banane bei mir hatte, als ich am Mittwoch gegen 5:30 Uhr aus dem Haus zur Arbeit eilte. Nur: Das Obst ist verschwunden, ohne dass ich es gegessen habe. Es ist weg. Schon als ich am Ü-Wagen ankam, der an jenem Morgen am Rostocker Zoo auf mich wartete, um eine Eisbärin in Empfang zu nehmen, habe ich sie zum ersten Mal vermisst. Ich tastete noch im Gehen mit gespreizten Fingern sämtlichen Taschen meiner Jacke ab, aber eine Tropenfrucht konnte ich dabei schon nicht mehr erfühlen.

“Werde ich sie wohl zu Hause vergessen haben”, dachte ich noch so bei mir. Gleich nach meiner Rückkehr warf ich einen Blick auf den Obstkorb in der Küche: Äpfel, Mandarinen, Orangen, aber keine einzige Banane. “Hah, dann wohl doch auf dem Regal im Flur”, sagte ich zu mir selbst. Doch auch auf dem Gestell nahe der Wohnungstür keine Spur vom vermissten Früchtchen.

“Ich werde sie doch wohl nicht in einem der vielen Fächer meines Rucksacks…”, begann ich in vorwurfsvollem Ton, ohne den Satz zu vollenden. Aber nein, weder im Dokumenten-Fach, in der Computer-Tasche, auch nicht im Zusatzfach noch in der Schlüssel-Tasche fand sich Obst. Kein Apfel, keine Kirschen und vor allem – das frustrierte mich zusehends – auch keine Banane.

Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, versuchte ich die Selbstzweifel zu ignorieren und ging noch mal zum Auto. Man liest ja schließlich immer wieder von Bananen, die unter Autositze rutschen. Aber auch energisches Vor- und  Zurückschieben von Autositzen brachte mich nicht weiter.

Die Banane bleibt verschwunden. Nun frage ich mich, wo sie jetzt wohl sein könnte. Naja, vielleicht bringt mich ja ihr Geruch in zwei, drei Woche auf ihre Spur. Ich glaube, ich werde alt.