In Bäckereien oder besser: Verkaufsstellen für Teigbackwaren erlebe ich immer mal wieder dolle Dinge. Manchmal rege ich mich dort aber auch herzhaft auf. Vor allem dann, wenn ich für viel Geld, für das es an anderer Stelle nahezu komplette Mittagsmenüs gibt, koffeinhaltige Trend-Heißgetränke kaufe. Im roten Becher schäumen Kaffee-Mix, Sahnetupf und Nuss-Aroma vor sich hin – und dann leiern die Tanten hinter der Theke immer wieder denselben Satz herunter: “Zucker und Deckel finden Sie an unserer Service-Station”.
Wer jetzt erwartet, dass im Nebenraum die Mitarbeiterin der Woche wartet, die in weißem Schürzchen, hübsch zurecht gemacht, mit einem zauberhaften Sahnelächeln, mit silbernen Kännchen und umflort von einem dezenten süßen Duft sich anschickt, die eben abgefüllte Kaffee-Kreation durch das Verabreichen erlesener Ingredienzien zu verfeinern, um auf diese Weise der Mär von der Service-Wüste Deutschland eine Abfuhr zu erteilen, der wird… enttäuscht.
Die vielfach gepriesene Service-Station ist ein Verhau aus lieblos zusammengezimmerten Furnierholz-Brettern mit Fächern für Rohzucker (braun), Deckel (klein) und Deckel (mittel, groß). Das alles ist mit leicht verrutschten Klebebuchstaben beschriftet und von diversen Kunden schon mit klebrigem Karamel-Cappuccino bekleckert worden.
Das ist dann also der so genannte Service. So weit ist es inzwischen, dass man für den Kundendienst selber sorgen muss. Ich verstehe ja, dass es für Service-Kräfte schwer abzuschätzen ist, ob und wie viel Rohrzucker (braun) sich jeder einzelne Kaffeetrinker denn in seinen Becher streuen lassen möchte – beim Zwist um die richtige Menge würde sicherlich unnötig oft geflucht. Ich bin auch gern bereit, weiterhin selbst zusätzliche Zutaten in mein Heißgetränk einzurühren, ich kann, will und werde das allein tun.
Ich verwahre mich nur mit dem gebotenen Ernst und dem dazu passenden Nachdruck gegen die bodenlose Frechheit, einen Haufen Zuckertüten und nen Napf Milch als Service-Station hinnehmen zu müssen.
Ich hatte kurz überlegt, dem Unternehmen, das diesen menschenverachtenden Euphemismus zu verantworten hat, eine Mail zu schreiben. All meinen koffeingepeitschten Hass hätte in die paar Zeilen hineingehackt. Ich habe den Plan schnell wieder aufgegeben. Wahrscheinlich haben die in Ihrer Beschwerdeabteilung auch bloß so eine Art Service-Station: “Ausreden und Ausflüchte, Verweise auf allgemeine Unternehmensentscheidungen und eine Portion ausdrückliches Bedauern für unser Antwortschreiben an Sie entnehmen Sie bitte unsrer Textbaustein-Station.”
Schönen Dank auch.
Schlagwort: Glosse
“Fremdgegessen!”
Das war der knallharte Vorwurf, den ich mir vor einer Stunde anhören musste. “Tah! Sie haben fremdgegessen!” sagte die Kassiererin in der Mensa und ihre rot und blau umschminkten Augen verengten sich zu dunklen Schlitzen.
Sie hatte Recht, aber woran hatte die Gute es erkannt? Hatte sich meine Leibesfülle zu meinem Nachteil verändert? Klebten mir Essen-Reste vom vergangenen Freitag im Mundwinkel? Gab es in der anderen Mensa Informanten, Spitzel, Kameras? Offenbarte hier der Überwachungs- und Polizeistaat seine hässliche Fratze? Ist es jetzt wieder so weit, dass Leuten ein Strick daraus gedreht wird, dass sie ihren Hunger stillen? Wo ist Deutschland bloß hingekommen?
Das alles wären durchaus Fragen gewesen, die ich hätte stellen können. Die ganze Mensa hätte ich aufwiegeln können, denn es wäre ja sowieso alles zu spät gewesen, als gläserner Mittagsgast haste ja eh in dieser durchtriebenen Gesellschaft keine Chance mehr.
Für derlei Gedanken blieb mir allerdings keine Zeit. “Sie haben 12 Euro 87 auf ihrer Zahlkarte. Da wurde wohl mal ein krummer Betrag abgebucht, was? In der großen Mensa, nä?” Ja, so war es. Sie hatte mich ertappt, nach diesem sekundenlangen knallharten Verhör zwischen Besteckkästen und Saftautomaten gab ich auf und wimmerte schluchzend, herzergreifend und als gebrochener Mann: “Ja, ich war – da. Und nun richten sie über mich. Und wenn es ein Verbrechen ist, in der großen Mensa Biobrause in Flaschen mit 8 Cent Pfand zu kaufen, dann bin ich schuldig.”
Wie konnte ich nur so nachlässig sein. In der kleinen Mensa, in der ich jetzt am Pranger stand, gibt es nur Speisen und Getränke, deren Preise durch 5 Cent teilbar sind. Da musste so ein Ausflug an andere Theken mit krummen Preisen doch auffallen? “Jeder Täter macht irgendwann einen Fehler”, hörte ich diverse TV-Kommissare mit rauher Stimme in meinem Hirn raunen.
In der Gewissheit, nie wieder Tageslicht zu sehen und schon bald im Karzer zu versauern, griff ich mutlos und vom Leben enttäuscht mein Tablett, schlurfte zu einem freien Tischchen um meine Henkersmalzeit zu genießen, bevor die buckeligen Mensa-Schergen mich ins Verließ zu schleifen gedachten.
Die Kakophonie der Fernsehfahnder wurde unterbrochen: “Guten Appetit dann”, flötete mir die Kassendame noch hinterher.
Ich glaube, manchmal mache ich mir einfach zu viele Sorgen.
Überraschend richtig
Da wollte ich einfach nur mit einem lockeren Scherz das Gespräch beginnen – und traf mit einer meiner Meinung nach vollkommen abseitigen Bemerkung ins Schwarze.
Zuweilen habe auch ich mal in der Arbeitsagentur Interviews zu führen. Bislang war es keine Freude, dort im Umkreis von einem Kilometer einen Parkplatz zu suchen. Das Viertel war zugeparkt. Bei meinem jüngsten Besuch konnte ich unlängst sozusagen aus einer Vielzahl von Stellplätzen wählen. Ich entschied mich für einen Platz nahe des Haupteingangs. “Mensch, hier ist aber auch zu merken, dass die Arbeitslosigkeit in Rostock sinkt. Man kann ja wieder bei ihnen parken”, sagte ich, als ich die Bürotür meines Interviewpartners öffnete und war der Meinung, nur Dank eines dollen Zufalls, der sich so nur alle 17 Jahre ereignet, freie Parkplätze vorm Arbeitsamt gefunden zu haben. Antwort: “Ja stimmt, wir haben das auch schon bemerkt. Hier ist viel weniger los. Erst recht auf dem Parkplatz.”
Da hamwas: Es geht aufwärts. Ganz bestimmt. Die Arbeitslosenquote in Mecklenburg-Vorpommern liegt derzeit bei 17,6 Prozent, das ist für Nord-Ost-Verhältnisse geradezu sensationell niedrig – ähnlich niedrige Zahlen gab es in einem Dezember in Mecklenburg-Vorpommern zuletzt im Jahr 1996.
Nerv-Pyromanen
An all die Wahnsinnigen da draußen, die jetzt schon ihre Böller und Raketen zünden: Der Dezember hat 31 Tage. Heute ist aber erst der 30. Ist es zu viel verlangt, dass ihr mit eurer ohnehin nervtötenden Ballerei wartet, bis der tatsächlich dazu passende Anlass wirklich gegeben ist?
Seit geraumer Zeit sausen jetzt also heulende Raketen übers Dach. Ich kann mir schon gut vorstellen, was das für Leute sind, die geifernd und grunzend irgendwo in der Seitenstraße stehen und sich gegenseitig erzählen, wie geil denn nun gerade wieder diese Rakete aus dem Happy-Family-Sortiment abgegangen ist: “Boah, Aldn, ey. Voll end-krass. Höhö. Grunz, Schnauf hechel.” Dann werden sie ihre Flecktarnhose hochziehen, mit dem Handrücken ihre Nase abwischen, in die Ecke rotzen, um schließlich von ihrem heillos überschuldeten Handy ihre Freundin anzurufen und vom Langweilerleben mit Böllern in der Seitenstraße zu berichten.
So sind, sie, die Prekariats-Pyromanen.
Insgeheim warte ich darauf, dass da unten beim frühzeitigen Auswickeln der “Wild-Viper-Multi-Effekt”-Batterie ein kleiner Funken Glut aus der Selbstgedrehten derart zufällig, aber zielsicher ins Päckchen mit Schwarzpulver und Lunten fällt, dass sich da, wo eben noch die Flecktarnhose stand, nur noch ein bunt schillernder Rauchpilz erhebt, majestätisch leuchtend wie ein bengalisches Feuer, nur unterbrochen vom schrillen Jaulen der Heuler aus dem “Sky-Siren”-Sortiment, die – einem Bienenschwarm gleich – zuckend und fauchend in alle Himmelsrichtungen auseinanderstieben.
Selbstverständlich kommt in diesem Traum auch zur richtigen Zeit ein Löschzug der Feuerwehr samt Krankenwagen und Notarzt um die Ecke, so dass dafür gesorgt sein wird, dass die kokelnden Experten schon Ostern wieder feste Nahrung zu sich nehmen können…
We like to mauve it!!
Es hat schon gereicht, es nicht zu sagen, um eine endlose Diskussion über Farben vom Zaun zu brechen. Und das kam so: In der Mensa gibt es jetzt Zahlkarten, die das Rumgepule in verfilzten Studentenportemonnaies überflüssig machen sollen. Geld draufladen, an der Kasse ans Lesegerät halten, fertig. Schön. Die Karten für Studenten sind mit einem – nennen wir es mal grün – also mit einem grünen Streifen gekennzeichnet. Für Dozenten, Besucher und Großverdiener, die den vollen Preis zahlen, tragen die Karten einen – hier jetzt der Einfachheit halber mal – pink zu bezeichnenden Streifen.
Es ging am Mittagstisch nun also um den Nutzen dieser Karten, der allgemein anerkannt wurde. Einer Kommilitonin schräg gegenüber gab ich zu bedenken, dass der Streifen auf der Großverdiener-Karte auch ganz gut zu ihrem Oberteil passen würde. Mann, da hatte ich was gesagt. “Weil der Pullover ja auch so schön pink ist oder was?” wurde ich postwendend angegiftet. „We like to mauve it!!“ weiterlesen
Landesmutter
Nur kurz notiert: Kurze Sinnsprüche heute in der Show von Harald-Schmidt. Und hier der beste:
“Berlin ist pleite wie Kalkutta, doch Wowi bleibt die Landesmutter”
Nüharrharr!
Und dann noch sinngemäß aus dem Gedächtnis:
“Wer fährt da rum mit einem Panzer? Das ist der Grass der alte Landser”
Auch gut.
Zeitsprung
Ich nehme gerne die Annehmlichkeiten moderner Technik in Anspruch – erwarte aber auch, dass mir Maschinen mit der gebotenen Ernsthaftigkeit gegenübertreten. Mein Geschirrspüler tanzt da heute aus der Reihe. Er zeigt mir in Minuten an, wie lange es noch dauert, bis er trockenen Joghurt, spröde Tomatensoßenreste und Honigtropfen von Tassen, Tellern und Messern gespült hat. Eben stand im Display eine 17. Und jetzt lese ich dort:95. Wie kann man sich denn so irren, bittesehr? Ich bin sehr enttäuscht. Da hat jemand zunächst wohl nicht mit offenen Karten gespielt oder ließ die notwendige Professionalität vermissen. Dabei habe ich extra noch Klarspüler nachgefüllt. Das wird Konsequenzen haben, wir werden das besprechen. So – geht es wirklich nicht.
Es gibt so viele Geschirrspüler da draußen, die würden sich darum reißen, hier ab und zu ein bisschen abzuwaschen Die würden das Zeug sogar noch in die Schränke räumen, wenn ihnen jemand Roboterarme anmontiert. Die würden das zuverlässig machen, schnell und billiger. Ich glaube, ich habe ein zu großes Herz. Ich gewähre so einem unsicheren Kantonisten Unterschlupf, der nicht mal auf seine eigenen Zeitangaben Rücksicht nehmen will. Und nachher ist das Geschirr noch nicht mal klinisch rein und ich muss-nochma-mipmm-Lappn-rübä. Zeiten sind das, also nee.
PS: Ich muss aufpassen. Sonst versteht das Ding meine launigen Anmerkungen hier auch noch falsch und dankt mir meine nicht ganz ernst gemeinten Ausführungen mit nem geplatzten Abwasserschlauch oder so was. Manchmal habe ich den Eindruck, ich bin der Technik hilflos ausgeliefert.
Das Gemüse und der Hof
Um meinen Nachnamen am Telefon möglichst unmissverständlich zu übermitteln, greife ich bei Nachfragen gerne auf folgende altbewährte Hilfe zurück: “Kohlhof, wie das Gemüse und der Hof dahinter”. Das kommt an. Wenigstens bei den Leuten, die das zum ersten Mal hören. Kollegen im selben Raum, die meinen Erläuterungen am Telefon schon zigmal beiwohnen durften, rollen hingegen mit den Augen. Weil ich deshalb heute besonders rücksichtsvoll sein wollte, verzichtete ich auf meine übliche Namenserläuterung, als ich gerade wieder fernmündlich eine weitere Wahnsinns-Story an Land zog. Ich buchstabierte mich also höflich durch je ein k, ein l, ein f und je zwei hs und os. Als ich damit fertig war, sagte mein Gesprächspartner am anderen Ende fröhlich: “Ach! Wie das Gemüse und der Hof, nä?” Ja genau! Ich habe es dann zur Feier des Tages noch einmal laut wiederholt.
Warum immer ich?
Es gibt immer wieder Momente im Leben, da stellt man sich diese Frage und weiß schon vorher: Eine Antwort gibt es nicht auf “Warum eigentlich immer ich?” In meinem Fall stelle ich mir derartige Fragen in jüngster Zeit im Supermarkt – viel zu oft übrigens, wie ich finde. Und ja, heute habe ich mir wieder die Frage gestellt, diesmal im Gang mit den Fruchtsaftgetränken. Es hätte auch bei den Eiern sein können oder an der Käsetheke. Sei’s drum.
Ich hatte also bereits eine Honigmelone, zwei Liter Milch, ein bisschen Aufschnitt und Toast in den Einkaufswagen geladen, kam gerade aus dem Gang mit dem Knabberzeugs und dann sah ich es: Ein rotztriefendes, zerknülltes, fleckiges Taschentuch lag plötzlich auch in meinem Einkaufswagen. Ganz vorn, mitten in der Mitte, schon ein bisschen schlaff von der ganzen Soße, die es aufgesogen hatte.
Den Würgreiz hatte ich schnell im Griff und somit genug Zeit, mir in der Warteschlange vor der Kasse die Frage zu stellen, was in Menschen vorgeht, die fremde Einkaufswagen ungebeten zu Seuchenherden machen. Was stellen diese Figuren sonst noch den lieben langen Tag über an, wenn sie nicht gerade Schnupfen haben? Sind das die Personen, die bei McDoof arbeiten und herzhaft in den Milchshake schnäuzen, bevor sie ihn aus dem Drive-In-Schalter reichen? Sind das die, die nur deshalb in Klamottenläden gehen, um auch ohne Unterwäsche Hosen anzuprobieren? Die in Uni-Bibliotheken einfach mal so das längst nicht mehr lieferbare Standardwerk ganz unten im Theologie-Magazin hinter der letzten Buchreihe verstecken? Arschlöcher etwa? Und die kaufen im selben Laden ein wie ich?
Und vor allem: Was mache ich nun? Wohin mit dem Drecksding? Vielleicht geisterte das Taschentuch ja schon eine ganze Weile durch den Markt, immer verstohlen mit spitzen Fingern in unbeobachteten Momenten von einem Kunden zum nächsten Einkaufswagen geworfen. Und ich, sollte ich dieser Zewa-Odyssee ein Ende bereiten, im Papierkorb? Und mir dabei im besten Fall die Schnodderseuche einfangen, im schlimmsten Fall den Arm abfaulen lassen?
Meine Entscheidung fiel auf “Mit-dem-Einkaufswagen-zum-Parkdeck-fahren-Waren-
umladen-und-den-Einkaufswagen-dann-einfach-in-die-Bos-zurückstellen”. Ganz bestimmt kommt nachts eine Reinigungs-Mannschaft und säubert jeden einzelnen Wagen samt Unterbodenwäsche und Desinfektion. Darauf habe ich mich verlassen. Mal sehen, bei meinem sprichwörtlichen Glück werde ich das Taschentuch aber in ein paar Tagen wiederfinden…