Lena und Horst

Erst Lena, dann Horst. Erst Begeisterung, dann Enttäuschung. Eine schriftliche Aufarbeitung des Eurovision Song Contest 2010 und der Bundespräsidentenrücktritts.

Was für ein aufregender Wochenstart. Erst gewinnt Deutschland nach 28 Jahren wieder mal den Song-Wettbewerb der Eurovision, ist mehrheitlich im Freudentaumel, und einige Kolumnisten sehen die erfolgreiche 19-Jährige Sängerin nach ihrer Heimkehr am Sonntag schon als Bundespräsidentin, spaßeshalber – und einen Tag später muss Deutschland wirklich ein neues Staatsoberhaupt suchen. Das alles muss ich jetzt hier verarbeiten. „Lena und Horst“ weiterlesen

Knetenhits 2010

ALso, manchmal haben die Damen und Herren von Schandmännchen echt gute Ideen – Der Titel für die neue CD mit Daten von angeblichen Steuersündern heißt demnach: “Knetenhits 2010“.

Wenn der Zweck, also der Kauf der auf illegale Weise zusammengetragenen Daten, nach Auffassung maßgeblicher Teile der Bundesregierung jetzt wohl endgültig die Mittel heiligt – wird Hehlerei dann salonfähig? Darf man künftig ohne Bedenken Dinge kaufen, die irgendwo vom Lastwagen gefallen sind, wenn man dadurch Geld spart? Schließlich könnte der ja an dieser Stelle gesparte Betrag an anderer Stelle wirtschafts-ankurbelnd investiert werden. Und als guter Staatsbürger sollte man schließlich auch das große Ganze im Blick haben.

Andererseits: Wie viele auf Steuerhinterziehung im Ausland spezialisierte Steuerfahnder kann man eigentlich von 2,5 Millionen Euro bezahlen?

Flüssiger als Wasser

Das Albenrste am so genannten TV-Duell der beiden Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl war das Brimborium drumrum. Ich habe die Sendung im Ersten gesehen. Knapp eine Viertelstunde, bevor Kanzlerin Angela Merkel und ihr Herausforderer Frank Walter Steinmeier im Studio B in Adlershof aufeinandertrafen, lief unten rechts im Bild schon ein Countdown: Noch 14 Minuten und 38 Sekunden. “Das Erste Gefecht” war im Hintergrund eingeblendet. Gefecht – meine Güte. Hätte noch gefehlt, dass beide Kandidaten durch die Sicherheitsschleuse gehen.Man werde sich duellieren, deutete Will an. Die ganz genauen Regeln mit Zeitkonten für die beiden Auszufragenden taten ihr Übriges, um die Skepsis für dieses Zinnober wachsen zu lassen.

Und dann folgten 90 Minuten sachliche Debatte zwischen zwei Kandidaten und vier Moderatoren aus privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Das war in Ordnung, um sich noch einmal die Positionen der beiden bisherigen Koalitionspartner zu verdeutlichen. Kein Wunder: Schließlich müssen sowohl SPD also auch die Union den Spagat hinbekommen, die zurückliegenden gemeinsamen vier Jahre nicht doch zu schlecht zu machen. Die unterschieden dann auch zwischen dem milden Blick zurück und dem äh, nun, ja: sich wohl trennendenWeg in der Zukunft.

Unterschiedliche Positionen in Sachen Mindestlohn, Atomausstieg und Steuerfragen haben die beiden Kandidaten weitgehend sachlich und umfangreich argumentierend ausgetragen – zum Entsetzen des Moderatoren-Quartetts, das teilweise meinte, penetratntes Unterbrechen-Wollen sei gezieltes Nachfragen. Farbe sollte unter anderem durch das Wörtchen “Tigerenten”-Koalition in die Runde kommen, womit Maybritt Illner eine mögliche Unions-FDP-Koalition illustrieren wollte. Frank Plasberg fragte später, wer denn in dieser Koalition der Tiger sein werde und wer die Ente. Wären keine Kameras dabei gewesen, wäre die Kanzlerin wohl gern zu seinem Tischchen gegangen und hätte ihrem Gastgeber ganz ohne Koalitionsaussage gern mal gegens Schienbein getreten – ihr genervter Gesichtsausdruck ließ darauf schließen.

Die Debatte blieb weiter sachlich. Ohne Beschimpfungen, man warf sich gelegetlich vor, nicht die Wahrheit zu sagen – aber überprüfen kann der Zuschauer das sowieso nicht. Wesentliches Neues gab es also nicht, man musste sich schon ein bisschen zwingen, dranzubleiben. Aber Politik und auch eine Bundestagswahl sollte man trotz des ganzen medialen Brimboriums im Umfeld nicht mit einer bunten Show verwechseln. Das ist nicht “Deutschland sucht den Superkanzler” – auch wenn nach der Aussprache eine 5-köpfige “Jury” zu Gerichte saß.

Trotzdem gabs gleich nach dem ausgebliebenen Duell dann schon mal die ersten repräsentativen Umfrageergebnisse. Wer ist glaubwürdiger, wer wirkte zur Halbzeit sympathischer, wer hat insgesamt besser überzeugt, wie sehen das die Anhänger der jeweiligen Kandidaten, hate es… KLICK. Da macht man dann aus. Als wäre es doch DSDSK.

Das einzig Praktische an diesen TV-Duellen vor der Bundestagswahl ist der Umstand, dass man nicht zwangsläufig zu den Wahlkampfkundgebungen gehen muss, um Positionen zu hören,wo irgendwelche Wahnsinnigen mit Trillerpfeifen rumtröten – und das dann für die Höhe der Demokratie halten.

Insofern: Debatte in Ordnung. Brimborium durmrum absolut fürchterlich – flüssiger als Wasser: überflüssig.

Bundespräsident

Aktuell-Meldung auf kohlhof.de

Horst Köhler bleibt Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Im ersten Wahlgang der Bundesversammlung im Bundestag erhielt er 613 Stimmen. 613 waren mindestens nötig. Damit liegt er vor der von der SPD nominierten Gesine Schwan. Köhlers Amtszeit wird 5 Jahre dauern. Uff.

Staatstragend

Was ist heute das wichtigste Ereignis in der Bundesrepublik? Nun gut, das Finale der Bundesliga und die immer noch offene Frage, welches Team den Meistertitel holt, ist auch wichtig – hier soll allerdings auch noch auf die Bundesversammlung hingewiesen werden. Im Fernsehen laufen die Übertragungen von der Wahl des Bundespräsidenten auf ARD, ZDF und Phönix – und auch im Radio gibt es direkte Übertragungen.

Zum Beispiel auf “ndr info spezial”, der Mittelwellenfrequenz, die es auch im Live-Stream gibt.

Hintergründe gibt es unter anderem beim Deutschlandradio zu lesen, aber auch auf der Internetseite des Deutschen Bundestages.

Die Sitzung wird auch vom Parlamentsfernsehen auf Bundestag.de übertragen – und zwar im O-Ton ohne Korrespondenten-Kommentare

Der erste Wahlgang läuft. Und es ist besonders spannend, weil eben nicht klar ist, ob Amtsinhaber Horst Köhler tatsächlich mindestens 613 Stimmen bekommt. Union und FDP haben zusammen mit den Freien Wählern aus Bayern 614 Stimmen, das sind die Fraktionen und Gruppen, die Köhler wählen wollen. Herausfoderin ist die von der SPD nominierte Gesine Schwan. Auch sie könnte es schaffen, von den 1224 Mitgliedern der Bundesversammlung gewählt zu werden – wenn auch nicht im ersten Wahlgang, sondern im dritten, wenn die einfache Mehrheit reicht.

Angeblich sollen mehrere Versammlungsmitglieder vor Beginn die Hoffnung geäußert haben, dass es bereits im ersten Wahlgang eine Entscheidung gibt, damit man rechtzeitig zum Anpfiff zu Hause vor dem Fernseher sitzen kann, um Fußball zu gucken. Bei allem Verständnis für sportliche Interessen: Fußball mit der Wahl eines Staatsoberhauptes abzuwägen würde mir nicht einfallen.

Amtliches Endergebnis

So viele Wähler können doch nicht irren. Das Ergebnis der Parlamentswahl in Nordkorea liegt vor: Demnach haben alle 687 Kandidaten, die jetzt wieder in die Oberste Volksversammlung einziehen, jeweils 100 Prozent der Stimmen erhalten. Keine einzige Gegenstimme. Ist das nicht schön? Nein.

Wahlwerbung

“US-Präsidentschaftswahl 2008 – Sie sehen einen Wahlwerbespot des Bewerbers der Demokratischen Partei der Vereinigten Staaten von Amerika, Barack Obama. Für den Inhalt der Werbespots sind allein die Parteien verantwortlich. In den USA sind die TV-Stationen nicht zur Ausstrahlung solcher Filme verpflichtet, weshalb die Demokraten vier Millionen Dollar für die Rechte zur gleichzeitigen Ausstrahlung auf sieben Kanälen bezahlt haben. Und ja, dieser Film dauert fast eine halbe Stunde.”

Das Video zeigt fast eine halbe Stunde lang eine Art „Wahlwerbung“ weiterlesen

Maoam

Mit einer gigantischen Eröffnungsfeier sollen heute die XXIX. Olympischen Spiele der Neuzeit in Peking eröffnnet werden. Seit Wochen und Monaten gibt es heftige Kritik an der chinesischen Staatsführung, zum Beispiel, weil Menschenrechte dort keine große Rolle spielen oder wegen der Zensur von Internetzugängen.

Das alles soll die Eröffnungsfeier nicht trüben – die Organisatoren in Peking werden wohl auch die kleinste Kleinigkeit unter Kontrolle haben und ihr Land als modernes, fröhliches, friedliches, harmonisches Reich präsentieren, in dem es keine Sorgen und Probleme gibt.

Die Kommentarspalten in den Zeitungen weltweit sind voll von Analysen. Eine spitzfindige steht heute in der Neuen Presse aus Hannover. Darin heißt es unter anderem:

Was auch immer wir in den nächsten zwei Wochen aus Peking zu sehen bekommen werden – mit der chinesischen Wirklichkeit hat das ungefähr so viel zu tun wie Mao mit Maoam.