“… ist heute gar nichts passiert” ist ein Satz, der in die Familiengeschichte eingegangen ist. Ja, er ist von mir. Ich werde so etwa vier, fünf Jahre alt gewesen sein. Ich hatte aus purer Neugier am Nachmittag, beim Einkaufsbummel an der Hand meiner Mutter mit meiner freien Patschehand einfach mal den Notausknopf an der Rolltreppe bei Karstadt in Lübeck gedrückt. Das Geruckel auf den Stufen, die Hektik, die Entpörung im Kaufhaus zwischen Herrenausstattung- und Elektro-Etage Anfang der 80er Jahre kann man sich vorstellen. Irgendein Monteur schmiss die Fahrtreppe wieder an, während meine Mutter noch Ausdrücke des Bedauerns die Treppe hinaufrief.
Abends, als mein Vater nach Hause kam, wusste ich, dass ich in die Offensive gehen musste, bevor irgendwelche peinlichen Fragen „“Bei Karstadt …”“ weiterlesen
Schlagwort: wirtschaft
Anlagetipp

Wohin mit dem eigenen Reichtum, wohin mit der eigenen Altersvorsorge, wenn die hochriskanten Wertpapiere in den Keller und deren Jongleure vor die Hunde gehen? Die Antwort auf die drängendste Frage in der Zeit der Wirtschafts- und Finanzkrise gibt eine Gärtnerei in Groß Grönau bei Lübeck. Der Anlagetipp: Am besten in Stauden, Sträucher, Büsche und Blumen investieren. Das Unternehmen verspricht eine geradezu sagenhafte Rendite auf diesem gar nicht mehr so neuen Markt: Bis zu 30 Prozent. Donnerwetter. Wie sicher diese Anlageform ist, ließ sich im Vorbeifahren allerdings nicht ermitteln. Was ist zum Beispiel, wenn irgendeine Schädlingsplage über das gerade eingebuddelte immergrüne Depot hereinfällt und alles kurz und klein knabbert – wie die Heuschrecken… oder wenn es in ein paar Jahren eine Kirschlorbeerschwämme gibt und die Preise fallen? Mal sehen, wie lange es noch dauert, bis es eine Broschüre der Verbraucherschutzzentralen zu dieser “Anlageform” gibt… Aber einen Punkt für Witz haben sich die Gärtner auf jeden Fall schon mal verdient.
Beeren-Preise
Um noch mal auf gestern zurückzukommen (und auch noch mal ins Archiv zu blicken): An den roten Buden für saisonal verfügbare regionale Feldfrüchte zeichnet sich eine rasante Preisentwicklung ab. Hier der Anfang einer Übersicht über den Kilopreis (am Erdbeerhäuschen am Kosmos in der Rostocker Südstadt):
Datum – Preis/KG
28.5. – 5,60 €
29.5. – 4,60 €
30.5. – 5,60 €
31.5. – 5,30 € (In Groß Grönau bei Lübeck)
(diese Reihe wird fortgesetzt – wenn sich unter der Leserschaft Erdbeerpreis-Reporter befinden, freue ich mich über deren Kilopreis-Meldungen aus anderen Winkeln des Landes).
Miese Bewertungen
Eine Glosse über misslungene Produktbewertungen durch Amazon-Kunden
Inhalt, den die Nutzer zu Internetseiten hinzufügen – das ist ein wesentlicher Aspekt von moderner Web-Seiten-Gestaltung. Hier auf kohlhof.de klappt das ja auch in vorbildlicher Weise, wenn die Leser Artikel kommentieren.
Ganz groß in Sachen User-Generated-Content sind ja auch die vielen Shops, die ihre Kunden dazu auffordern, Produktbilder hochzuladen, Waren zu bewerten und sogar die Bewertungen selbst auch noch mal zu bewerten und zu kommentieren. Ganz viel Interaktion also – und sicherlich auch eine große Hilfe beim Stöbern und Online-Shoppen. Wer kauft schon gern ein Teigrührgerät, wenn 17 Nutzer gerade mal einen von fünf möglichen Sternen dafür vergeben haben. Allerdings sollte der Kaufinteressierte sich die Texte unter den Bewertungen noch mal genau ansehen und dann noch mal entscheiden, ob die ans Produkt gelegten Maßstäbe der anderen Käufer auch den eigenen Wertvorstellungen entsprechen.
Denn was soll man denn bitte von Rezensionen halten, die mit Worten wie diesen beginnen: “Die Lieferung kam wie immer pünktlich. Nach drei Tagen war das Paket da. Es war nicht beschädigt.” Selbstverständlich folgt nun auch noch eine ellenlange Analyse des erstandenen Gutes – aber was bitte hat die Lieferung mit der Qualität der Ware zu tun? Ob das Buch spannend zu lesen ist, ob die Firmware im MP3-Player einen Bug hat oder ob das Handbuch der sündhaft teuren Heimkinoanlage nur in koreanischen Schriftzeichen vorliegt, hat doch mit dem Transport eines Pakets original gar nichts zu tun und wird dadurch in keiner Weise beeinflusst. Oder was passiert in den Paketzentren und während der rasenden Fahrt im Postauto?
Was wird künftig noch in Rezensionen einfließen? Das etwa: “Mein neuer Universalbenutzer ist da. Und was soll ich sagen? Ich bin begeistert. Der Zusteller war wie immer freundlich, er hatte diesmal auch keine Essenreste im Bart. Außerdem muss ich noch sagen, dass das Anschriften-Etikett ausreichend lesbar bedruckt wurde. Sehr schön auch, dass das Graubraun des Kartons so gut zu den anderen Kisten in meinem Keller passt. Ach ja: Das Produkt: Gefällt mir total gut: Die Videos, die ich mag, sehen darauf besonders gut aus – und meine Lieblingsmusik klingt auch von den tiefgründigen Texten her besonders gut. Außerdem kann man damit wunderbar meinen Lieblingskuchen backen: Himbeeren schmecken damit echt himbeerig. 5 von 5 Sternen.”?
Echt gut, dieses Internet!
Bewertungen dieses Artikels bitte in gewohnter Weise hier unten rein: Vielen Dank! ;-)
Jetzt aber!
Der März im Zeitraffer: Landesfunkhaus – Buchmesse – Kurzmeldungen
Neuer Job, neuer Tagesablauf – Seit Anfang März arbeite ich nun also im NDR-Landesfunkhaus in Schwerin für die Magazinredaktion, was auch die Besucher dieser Internetseite zu spüren bekommen: Ich habe derzeit kaum noch Muße, hier großartig zu posten.

Das liegt vor allem daran, dass ich in Schwerin viele neue Dinge lernen muss: Da geht es um Klangelemente und wie und wann man sie einsetzen kann. Es geht um zusätzliche Software und wie man sie effektiv nutzen kann und es geht um viele Debatten mit Kollegen, wie man Themen im Radio umsetzen kann. Dazu kommen dann noch die Fahrten von und zur Arbeit. Während ich in der Redaktion allmählich die wesentlichen Dinge beherrsche, werde ich mich an das tägliche Hin- und Herfahren ziwschen Rostock und Schwerin so schnell nicht gewöhnen. Gut, dass ich ab April ein Zimmer in Schwerin haben werde. Wenn also der Weg in den Feierabend im kommenden Monat nicht mehr fast eineinhalb Stunden, sondern nur noch 15 Minuten dauern wird, erhöht sich hier hoffentlich auch wieder die Zahl der Beiträge. Hier kann ich jetzt nur einige Dinge zusammenfassend nachreichen – und eine Fotoreportage von der Buchmesse in Leipzig bieten. „Jetzt aber!“ weiterlesen
Buch-Haltung

Financial countdown
Dieses Video hat auf den ersten Blick nichts mit der weltweiten Finanzkrise zu tun:
Dieser junge Mann hat ein Talent, das er mit seltsamen Gerätschaften auslebt. Es geht um Musik und die Tatsache, dass der Gute Ukulele, Tröte und Miniklavier spielen kann und zwischendurch auch noch singt. Manche findens seltsam, ich finds lustig und hoffe, damit den Wochenstart der geneigten Leserschaft versüßt zu haben.
Und da es heute auch und vor allem um die erhoffte Wirksamkeit einer nahezu europaweiten Strategie gegen die Folgen der Finanzkrise geht, passt “Final Countdown” von Europe natürlich doppelt und dreifach auf die heutigen Morgen. Wie werden die Börsen reagieren?
Die 15 Länder, in denen der Euro gilt und Großbritannien haben sich ja auf einen gemeinsamen Rahmen für finanzielle Interventionen zur Stützung angeschlagener Banken und damit zur Rettung des gesamten Finanzsystems verständigt (Text des Statements von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Ende des Treffens in Paris). Allein die Bundesrepublik will ja angeblich mit bis zu 400 Milliarden Euro bürgen. Viel hilft hoffentlich auch viel.
Wenns schlecht läuft, werden viele von uns vielleicht schon bald als Musiker ähnlicher Ausrichtung wie oben versuchen müssen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen… wo ist eigentlich meine Trompete?
Links:
Dossier zur Finanzkrise bei tagesschau.de
Zusammenfassung bei spiegel.de
Das Video habe ich in Cashys Blog gefunden, einem ebenso informativen wie lesenswerten Stück Internet mit dem Schwerpunkt Software und Betriebssysteme – und wie man sie effizient nutzen kann.
Betriebswirt TCM
Heute habe ich es erfahren: Die Kaffee-Kette Tchibo verkauft nun nicht nur Fleece-Puschen und Massagebürsten, sondern auch einen Fernstudiengang in Betriebswirtschaftslehre. Hmm, was bekommt man denn da für einen Abschluss? MBA? Ach nein! Wohl eher: Betriebswirt TCM.
Geschenkauswahl für Timmi
Niklas Schult wird bald 7 Jahre alt – und was er zum Geburtstag bekommen soll, das kann sich jetzt schon jeder bei Karstadt in Lübeck angucken. Niklas hat dort nämlich einen Geschenketisch. So wie ganz viele andere Kinder auch. Chantal zum Beispiel. Wer ihr zum fünften Geburtstag eine Freude machen will, kann aus diversen rosa Playmobil-Packungen wählen. Auf Niklas’ Tisch fällt vor allem das Gesellschaftsspiel über die „Wilden Kerle“ auf, daneben liegen eine Gummi-Kuh und ein Gummi-Hai – so etwas kann man ja schließlich immer gebrauchen. Johanne wiederum wird in ein paar Tagen wohl auch die eine oder andere Dose Klein-Mädchen-Deodorant auspacken. „Hoch soll’n sie leben“.
Geschenketische in Kaufhäusern haben eine lange Tradition und hohen Nutzwert. Jedes Hochzeitspaar lässt schließlich irgendwo im Keller Dinge verrotten, die andere ihm zur Vermählung überreicht haben. Meistens handelt es sich dabei um Gegenstände, die das junge Paar entweder für ästhetisch fragwürdig, unpraktisch oder schlicht überflüssig hält, weil es davon gleich mehrere Exemplare bekommen hat.
Kratzige Handtücher, schwere Kristall-Schalen, quietschbunte Sofakissen zum Beispiel. Um familiäre Verstimmungen und peinliches Herumdrucksen nach bohrenden Fragen zum Verbleib von Kristallschalen und Haushaltswaren von Anfang an zu verhindern, haben Warenhaus-Chefs Geschenketische erfunden. Wobei „Tisch“ oft untertrieben ist: Auf kleinen Anrichten steht höchstens eine überschaubare Auswahl. Zum Beispiel von dem Porzellan, mit dessen Hilfe das junge Glück sich fürderhin täglich zu laben gedenkt. Daneben ein bisschen Literatur in dicken Ledereinbänden, vielleicht auch noch das eine oder andere technische Gimmick. Dies alles ist oft nicht ganz billig und außerdem wie der ganze Rest in einer langen Liste verzeichnet. Darin können Tante Lisbeth sowie Ruth und die Zwillinge – oder wie die Hochzeitsgäste alle genannt werden – eintragen, was sie so herzlich gern und aus freien Stücken dem Brautpaar schenken möchten. Das ist eigentlich ganz praktisch. Dieser Aufwand scheint dem Anlass eines auf Lebensdauer angelegten Ja-Wortes aber auch angemessen.
Welchen tieferen Nutzen Geschenketische allerdings bei Geburtstagen von Kindern im Vorschulalter haben, will sich einem nicht so recht erschließen. Wie laufen Geburtstagsfeiern von Buben und Mädchen ab, die von ihren Eltern gezwungen werden, eine Liste mit heiß begehrtem Spielzeug auszuarbeiten – und das auch noch vier Wochen vor der Feier. Ganz nebenbei: Was tun Eltern in den 28 Tagen nach Veröffentlichung der Liste bis zum Fest, um die Spannung, Ungeduld und Aufregung beim Nachwuchs auf einem für alle Seiten erträglichen Level zu halten?
Wie sieht die Einladung aus, wer bekommt überhaupt eine? „Johannes nicht, seine Eltern können nicht so gut mit der Klassenlehrerin von Anne. Nein, Timmi, keine Diskussion! Das geht nicht! Was sollen die Leute denken?!“
Wer druckt die Einladung, was schreibt man? „Annedore Pütz-Klöpfer und Gerd Klöpfer geben mit großer Freude bekannt, dass ihr Sohn Timm-Morten am drölfzigsten Septober 5 Jahre alt wird. Wir laden zum Geburtstagsbrunch ab 11 Uhr (dunkler Anzug, Smoking), u. A. w. g. bis nulften Jorz unter booking@timmi-wird-fuenf.de. Wer unserem Sohn eine Freude machen will, findet bei Karstadt einen Geschenketisch. Für Gäste von Außerhalb haben wir im Berliner Hof Suiten reserviert.“
In den Schulen dieses Landes kämpfen derweil täglich Lehrer rührselig gegen das Ego von überzüchteten Ausgeburten, Typ Froop-Mädchen und Schnappi-Kind. Deren überdrehte Attitüden werden durch Eltern, die Geschenketische für Fünfjährige für eine gute Idee halten, noch befeuert. Dabei können die lieben Kleinen noch nicht einmal das Wort Wunschzettel einigermaßen platzsparend zu Papier bringen, so dass auch Außenstehende das Gekrakel entziffern können; sie dürfen aber schon bestimmen, was andere ihnen zu geben haben.
Wir stellen uns vor, was an der mit Blumenarragements ausgestalteten, von livrierten Kellnern bestellten Festtafel passiert, wenn dem Junior am Kopfende des Tisches die Gesichtszüge entgleiten, weil er soeben ein Päckchen auswickeln musste, dessen Inhalt nicht vom Geschenketisch stammt. Wird dann im Hintergund hektisch telefoniert? „Holen Sie sofort ihren Sohn hier ab. Und sein selbstgemaltes Geburtstagsbild kann er auch gleich wieder mitnehmen!“ Wird dann das Protokoll hektisch umgestrickt, um die brodelnde Geburtstagsgesellschaft zu beruhigen? „Schicken sie sofort den Clown rein. Ist mir egal, ob der sich noch schminken muss. Da drinnen ist die Hölle los. Hier läuft alles aus dem Ruder. Der soll seine scheiß Riesenlatschen anziehen und seinen fetten Clowns-Hintern ins Esszimmer schwingen, sonst eskaliert hier alles.“
Dort im Esszimmer wird es inzwischen brenzlig für den armen Tropf, der das unheilvolle Geschenk mitgebracht hat. Böse Worte vom „Arme-Leute-Kind“ machen wispernd in der Geburtstagsgesellschaft die Runde. Das mit besten Absichten beschaffte und teuer bezahlte Kästchen mit Lego-Steinen liegt als Beweisstück A zwischen Kokos-Mango-Trüffeln und Cacaoccino-Gläsern auf der Festtafel. „Lego! Legolego!“ wiederholt der Beschenkte anklagend und mit abwehrender Armbewegung, während der Überbringer mit dünner Stimme „Aber! Aberaber!“ jammert und etwas von einem selbst gemalten Bild stammelt. Die Kellner wuseln geschäftig aber ratlos umher. Zum ersten Mal fällt ein Trinkbecher vom Tisch und zerbirst auf dem grauen Granitboden. In diesem Moment denkt der Caterer in der Küche zum ersten Mal ernsthaft darüber nach, ob es angebracht wäre, die gerade angerichtete Gumminbärchenbowle mit einem kräftigen Schuss Schampus zu versehen, um die grollende Rasselbande nachhaltig ruhig zu stellen und weiteren Tumult im Keim zu ersticken. Auftritt Clown. Mit einem beherzten „Humptata-täterräää“ betritt der Alleinunterhalter die Szene durch die Durchgangstür zum Wohnzimmer. Für einen Moment herrscht spannungsgeladene Ruhe, Bewegungen erstarren. Dann: „Ich wollte aber einen Zauberääähääähäää!“ Die letzten Silben gehen im Gegluckse und Geschlucke aus Tränen unter. Die miese Stimmung breitet sich wie ein Seuche aus. Überall Tränen, überall Geschrei. Die Party ist gekippt.
Während die Großeltern gerade vom eigens arrangierten Erwachsenen-Programm aus der Kunsthalle zurückkehren, verfrachten die ersten Mütter schon ihre verstörten Kinder in Vans und Geländewagen. Kaum jemand redet ein Wort. Väter tauschen Visitenkarten und die Nummern ihrer Anwälte. Motoren heulen auf, der Kies in der Einfahrt klackert gequält, hinten an der Straße quietschen Reifen unter rasanter Beschleunigung. Beim hastigen Aufbruch bleiben Strellson-Kindermäntel, Boss-Pullover und Oakley-Mädchen-Brillen zurück.
In Momenten wie diesen wird Eltern wie Annedore Pütz-Klöpfer und Gerd Klöpfer klar,dass sie etwas falsch gemacht haben. „Zur Einschulung machen wir das anders. Da schreiben wir in die Einladung lieber ‘Statt freundlich zugedachter Geschenke bitten wir um eine Spende an eine caritative Einrichtung’“, wird Mutter sagen, und Vater wird natürlich beipflichten: „Schöne Idee, wie wäre es mit Unicef?!“
Ja. Ganz tolle Idee.